„Es ist falsch, den Einsatz auszuweiten“

Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Christian Ströbele, fordert von der Regierung, ihre Position grundsätzlich neu zu überdenken

taz: Herr Ströbele, deutsche Soldaten sollen künftig auch außerhalb von Kabul eingesetzt werden. Wie ändert sich die Rolle der Bundeswehr?

Hans-Christian Ströbele: Der Kriegseinsatz der amerikanischen, aber auch deutschen Truppen im Rahmen der Mission Enduring Freedom und der Einsatz der Isaf werden in Afghanistan schon jetzt immer weniger auseinander gehalten. Durch eine Ausweitung der Einsätze auf Krisengebiete wird der Unterschied noch stärker verwischt. Die Bundeswehr wird zunehmend als Kriegspartei wahrgenommen – und behandelt.

Es geht also weniger um Wiederaufbau als um militärische Kontrolle?

Wenn man in ein Gebiet hineingeht, das besonders unsicher ist, geht es um militärische Kampfeinsätze und nicht um reine Absicherung. Hinter den Aufbauteams verbirgt sich ein robustes Kampfmandat. Nach fast zwei Jahren ist die Sicherheitslage in Afghanistan schlechter und nicht besser geworden.

Verteidigungsminister Peter Struck will die Bundeswehr aber gerade in unsichere Regionen schicken, weil nur dort ihre Mission einen Sinn habe.

Es ist falsch, den Einsatz der Bundeswehr auszuweiten. Das kann nur mit Gründen zu tun haben, die außerhalb Afghanistans liegen, nämlich mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis. Von den durchsichtigen Schmeicheleien aus dem US-Sommercamp sollten wir uns nicht leiten lassen.

Gibt es im Bundestag eine rot-grüne Mehrheit für ein Kampfmandat?

Der Bundeswehrverband rechnet angeblich damit, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren oder sogar Jahrzehnten in Afghanistan einen Guerillakrieg durchstehen muss. Das darf nicht sein. Ob die Bundesregierung einen entsprechenden Antrag ins Parlament einbringt, wissen wir nicht. Deshalb auch kein Kommentar zu Mehrheiten.

Sie halten die Entsendung von immer mehr Soldaten für den falschen Weg. Was ist der richtige?

Wir stehen vor einem Dilemma. Die Kriegsgegner haben immer gesagt, dass man sich nicht an einem Krieg in Afghanistan beteiligen kann, ohne vorher zu sagen, wie es weiter- und zu Ende gehen soll. Auch ich bin nicht dafür, alle Soldaten von heute auf morgen abzuziehen. Aber irgendwann müssen wir uns dem Problem stellen, dass das, was die Kriegskoalition wollte, nicht eintritt.

Eine Reduzierung der Militärpräsenz würde die Sicherheitslage aber auch nicht verbessern.

Nein, die Sicherheitslage ist nicht zu verbessern. Das ist ähnlich wie im Irakkrieg. Man hat einen Krieg angefangen und steht jetzt vor den Trümmern der US-Kriegspolitik. Der Einsatz muss neu überdacht und korrigiert werden, besser jetzt als in ein paar Jahren.

Die Opposition wirft der Regierung Planlosigkeit in der Sicherheitspolitik vor. Ist Rot-Grün planlos?

In der Sicherheitspolitik insgesamt nicht. Aber in Bezug auf Afghanistan – und ich fürchte auch auf den Irak – geraten wir immer mehr in den Sog der US-amerikanischen Fehlvorstellungen und Fehlhandlungen.

Ihre Parteichefin Beer will einen Bundeswehr-Einsatz im Irak prüfen.

Einen Einsatz der Bundeswehr als Teil der US-Besatzungsarmee halte ich für völlig falsch. Wir müssen uns hüten, einen Krieg, den wir vehement und zu Recht abgelehnt haben und dessen Kriegsgründe immer fraglicher werden, nachträglich zu legitimieren. Deutsche Soldaten in der Kriegskoalition, als verlängerter Arm der US-Besatzer, würden unsere bisherige Politik gegen den Krieg diskreditieren. Wir dürfen unsere Friedenspolitik nicht verraten.

Die Nato agiert nach der Übernahme des Kommandos in Afghanistan erstmals außerhalb Europas. Werden weltweite Einsätze jetzt zur Regel?

Das darf nicht die Entwicklung sein. Ich sehe das mit großen Bauchschmerzen.

INTERVIEW: ANDREAS SPANNBAUER