Belohnung für die Abkehr vom deutschen Weg

Die Bundesregierung hat sich die Versöhnung mit den USA teuer erkauft. Nach der Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan schließt Verteidigungsminister Peter Struck jetzt selbst eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem Nato-Einsatz im Irak nicht mehr aus

BERLIN taz ■ Das Lob von der Ranch in Crawford, Texas, war wohlverdient. Nicht ohne Grund ist US-Präsident George W. Bush überraschend zu einem Shake-Hands mit Bundeskanzler Gerhard Schröder bereit. Die neue Herzlichkeit ist auch die Folge einer schleichenden Kurskorrektur des ehemaligen Friedenskanzlers.

Bezahlt hat die Bundesregierung die Zuneigung des US-Präsidenten mit einer weitreichenden Abkehr von ihrer Irakpolitik. Neuer Höhepunkt der Kompromissbereitschaft: Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) schließt nun selbst einen Einsatz der Bundeswehr im Irak nicht mehr aus, falls die Nato eine entsprechende Anfrage an Berlin stellen sollte.

Bis vor kurzem noch hatte man in Berlin weder von einer Nato-Mission im Irak noch von einer deutschen Beteiligung etwas wissen wollen. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, hatte solchen Ideen noch Mitte Juli eine Abfuhr erteilt: „Damit würden wir allen unseren Argumenten widersprechen, mit denen wir unsere Ablehnung des Irakkrieges begründet haben.“

Im Verteidigungsministerium verliert diese Erwägung nun erkennbar an Gewicht. Auch einem Einsatz der Nato im Irak will die Bundesregierung nun offenbar keine Steine mehr in den Weg legen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Struck, falls ein Beschluss der UNO vorliege und die Nato um größere Verantwortung gebeten werde, hätte Deutschland „keinen Grund, einem Engagement der Allianz in Irak zu widersprechen“. Ein Regierungssprecher nannte diese Frage zwar „rein theoretisch“ – aber nicht ohne auf den Zusatz „derzeit“ zu verzichten.

Noch Mitte Juli hatte Enwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) den Wunsch der USA nach einer Nato-Beteiligung am Militäreinsatz im Irak als „völlig unakzeptabel“ bezeichnet. Noch weiter hatte sich die Bundesregierung vor Beginn des Irakkrieges aus dem Fenster gelehnt. Damals legte sie selbst gegen Planungen der Nato zum Schutz der Türkei vor einem irakischen Angriff ihr Veto ein – und sorgte damit für eine Zerreißprobe innerhalb des transatlantischen Bündnisses. Nun aber will man in Berlin eine Beteiligung der Allianz offenbar nicht mehr behindern – obwohl die Anschläge auf US-Truppen im Irak weitergehen.

Zum Tauwetter zwischen Washington und Berlin dürfte auch die Ausweitung der deutschen Truppenpräsenz in Afghanistan beigetragen haben. Noch in diesem Monat will die Bundesregierung das Einsatzgebiet der Bundeswehr erweitern. Die geplante Beteiligung an regionalen Wiederaufbau-Teams außerhalb von Kabul soll dabei alles andere als eine Goodwill-Geste sein. Der SPD-Sicherheitsexperte Erler sagte, Deutschland werde sich „über einen symbolischen Beitrag hinaus“ an einem regionalen Wiederaufbau-Team beteiligen.

Demonstrativ soll sich die Bundeswehr dabei auf gefährliches Terrain wagen. Einen Einsatz in eher sicheren Gebieten wie dem 50 Kilometer nördlich von Kabul gelegenen Charikar schloss Erler daher aus. Als wahrscheinlicher Einsatzort gilt die Stadt Kundus. Für den Einsatz sollen rund 1.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden. Die Vorhut bildet kein Geringerer als der Verteidigungsminister selbst: Peter Struck trifft heute in Kabul ein, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Hans-Christian Ströbele, warnte, durch die Ausweitung des Einsatzes auf die von Warlords und Stammesfürsten kontrollierten Gebiete werde die Bundeswehr immer mehr zur Kriegspartei.

In Berlin hofft man jedenfalls, dass der eigene Kurswechsel in Washington honoriert wird – und legt dabei erkennbar Optimismus an den Tag. SPD-Sicherheitsexperte Erler sieht in dem Lob Bushs ein Signal für „das amerikanische Interesse, die Spannungen abzubauen, die wegen des Irakkrieges entstanden sind“. Der Kanzler plant schon einmal seine Reise in die USA. Die geplante Teilnahme an der Herbstversammlung der Vereinten Nationen, klang es freudig aus dem Bundespresseamt, biete eine Gelegenheit für ein Treffen mit dem US-Präsidenten. ANDREAS SPANNBAUER