Tony Blairs Weste bleibt sauber

Auch Lord Butler gibt dem britischen Premierminister keine Schuld an den Pannen im Vorfeld des Irakkriegs. Nach dem Untersuchungsbericht gibt es keine Hinweise auf eine gezielte Verfälschung von Informationen durch die Regierung

VON RALF SOTSCHECK

Der britische Premierminister Tony Blair hat die Nation nicht belogen, als er ihr die Gründe für den Krieg gegen den Irak darlegte. Zu diesem Ergebnis kam Lord Butler of Brockwell, der gestern Mittag in London seinen 196-seitigen Bericht über die Arbeit der Geheimdienste im Vorfeld des Irakkrieges vorstellte. Butler moniert lediglich, dass Blairs Rede vor dem Unterhaus möglicherweise „den Eindruck verstärkt“ habe, es gebe stichhaltigere Beweise für Saddams Massenvernichtungswaffen, als tatsächlich der Fall war. Blair sei aber nicht verantwortlich für die Informationspannen der Geheimdienste in Bezug auf diese Waffen, heißt es in dem Bericht.

Blair hatte die Kriegsteilnahme ausschließlich mit der Bedrohung durch irakische ABC-Waffen begründet, vorige Woche jedoch eingestanden, dass man diese Waffen wohl nie finden werde. Die Geheimdienstinformationen seien unzuverlässig gewesen, sagte Butler, der früher Blairs Kabinettssekretär war. Sie hätten nicht ausgereicht, um die Behauptung zu untermauern, der Irak habe die UN-Resolutionen zur Entwaffnung missachtet. Butler kritisierte auch das Regierungsdossier vom September 2002, das die vorliegenden Geheimdienstinformationen „bis an die äußerste Grenze“ interpretiert habe, obwohl die Quellen zweifelhaft gewesen seien.

In dem Dossier wurde behauptet, dass der Irak seine Massenvernichtungswaffen „binnen 45 Minuten aktivieren“ könne. Diese Behauptung habe in dem Dossier nichts zu suchen gehabt, sagte Butler. Allerdings habe er keine Beweise gefunden, dass eine „absichtliche Verdrehung oder schuldhafte Nachlässigkeit“ vorliege. Der verantwortliche Autor des Dossiers war John Scarlett, der Chef des Geheimdienstausschusses. Blairs Sprecher Jonathan Powell hatte eine Woche vor der Veröffentlichung des Dossiers an Scarlett geschrieben: „Das Dokument untermauert keinesfalls eine Bedrohung, und schon gar nicht eine unmittelbare Bedrohung durch Saddam. Wenn wir das Dokument veröffentlichen, müssen wir verdeutlichen, dass wir nicht behaupten, wir hätten Beweise für eine unmittelbare Gefahr.“

Eine Woche später hatte man plötzlich diese „Beweise“. Die BBC war für ihre Behauptung, die Regierung habe dafür gesorgt, die vom Irak ausgehende Gefahr aufzubauschen, in einem Bericht von Lordrichter Hutton im vergangenen Herbst so scharf kritisiert worden, dass die Führungsspitze des Senders zurücktrat. Der Regierung bescheinigte Hutton dagegen eine weiße Weste.

Die Oppositionsparteien forderten gestern Scarletts Rücktritt. Blair hat ihn im Mai zum Chef der Auslandsspionage MI6 designiert, ohne das Ergebnis der Butler-Untersuchung abzuwarten. Auch aus der eigenen Partei gab es deswegen Kritik. „Der Chef der CIA musste zurücktreten, aber Herr Blair hat John Scarlett befördert“, sagte der Abgeordnete Jeremy Corbyn, der dem linken Labour-Flügel angehört. „Das ist außerordentlich.“

Butler weiß, dass sein Bericht Scarlett schaden könnte. Deshalb schrieb er ausdrücklich, dass Scarlett trotz alledem sein neues Amt am 1. August antreten solle. „Wir haben Hochachtung vor seinen Fähigkeiten und seiner bisherigen Arbeit“, heißt es in seinem Bericht, in dem er ebendiese Arbeit kritisiert hat.

Ein Regierungssprecher sagte zum Independent zu dem Bericht: „Er ist schlecht für uns, aber bei weitem nicht so schlecht wie die Untersuchung der US-Geheimdienste durch den Senat in Washington. Es gibt zwar Kritik, aber wir glauben, dass wir damit leben können.“ Blair räumte am Nachmittag zwar ein, dass im Vorfeld des Krieges Fehler gemacht worden seien, aber eine Entschuldigung für den Sturz Saddams sei nicht angebracht.