Lebenselixier Sinn

Außerirdische entern die Hansekogge, dabei sind die wahren Invasoren die Medien: Das Spektakel „Die Sinnflut“ hatte Premiere an der Schlachte

Sinn entsteht, wenn sich Bedeutung in einen größeren Zusammenhang einfügt – so wie sich die Flut in die Landschaft fügt, wenn sie über die Flussufer tritt. Insofern passen sie gut zusammen, der Sinn und die Flut, und in der Tat kam die „Sinnflut“ vergangenen Freitagabend an der Schlachte wuchtig daher: 30 Künstler aus Bremen, der Schweiz, Großbritannien und Argentinien schwappen aus der Hansekogge und bespielen die linke und rechte Weserpromenade sowie die Teerhofbrücke.

Die „Sinnflut“ beginnt eindrucksvoll: Zwei vierbeinige Wesen, die entfernt an Riesenkrabben erinnern, stolzieren über das von Zuschauern dicht besiedelte Ufer vor dem historischen Handelsschiff. Gerade als sie das Schiff kapern wollen tauchen zwei schwarz gekleidete Reiter auf, um die Eindringlinge zu verscheuchen. Doch anstatt zu kämpfen, tanzen die Fabelwesen mit den Pferden, solange, bis diese dann doch entschwinden.

Kaum einen Atemzug später zerstören drei Schauspieler die fantastische Eingangsszene. Sie mimen ein Kamerateam, hektisch und zappelig einer ungewöhnlichen Story auf der Spur. Völlig überdreht fällt es in das Handelsschiffchen ein und bemerkt, dass es hier was nicht stimmt. Außerirdische sind gelandet. Klar, das ist eine Story, da muss man ran mit der Kamera.

Wesen von einem anderen Stern, also vom anderen Weserufer, schweben über die Teerhofbrücke in die Hansekogge. Dort bespringen und beschaukeln sie von der Reling bis zur Mastspitze alles, an dem sich festzuhalten lässt. Und mittendrin ist das Medienteam, dem ein kleines, grünes Männchen mit piepsenden Lauten erklärt, dass ihr Planet aus Mangel an Sinn auszusterben drohe und sie nun auf der Suche nach fantasievollen Menschen seien, die Lust hätten, mit auf ihren Planeten zu kommen.

„Sinnflut“-Regisseur Marcello Monaco überzeichnet das Kamerateam bewusst, um nicht die Außerirdischen als Invasoren darzustellen. Die wahren Invasoren sind die Medien, die unseren Planeten schon längst fest im Griff haben. Ein gute Story. Schade nur, dass Marcello Monaco diese Geschichte so voll gestopft hat, dass man dem Sinn des Zinnobers nur schwer folgen kann.

Monacos Akrobaten, Feuerschlucker, Jongleure, Stelzenläufer, Seiltänzer, Bungeejumper und Schauspieler wirken, abgesehen von ihren farbenfrohen Kostümen, gar nicht so fremd. Sie erinnern an eine ganz irdische Zirkustruppe, die eben mal ein Schiff bespielt und kein Zelt.

Das wiederum spricht für die „Sinnflut“. Raus aus dem Zelt, rein in die Landschaft: Das Projekt erstreckt sich von Bremen bis nach Bremerhaven. Vielleicht nimmt Monaco ja ein paar artistische Einlagen raus aus dem Stück. Dann käme nicht nur die Fantasie des Zuschauers in Gang, auch die musikalische Untermalung hätte eine Chance, den irdischen Außerirdischen mehr Tiefe zu verleihen. Hannes Krug

Die „Sinnflut“-Tour (umsonst & draußen) jeweils ab 15 Uhr, Hauptvorstellung um 20.30 Uhr: 13.8. Brake, 14.8. Elsfleth, 15.8. Bremerhaven, 16.8. Vegesack, 17.8. Bremerhaven.