Ein Euro für Babelsberg

Medienstadt hofft auf das ‚Wunder aus München‘, doch nach dem Verkauf des traditionsreichen Filmgeländes von Vivendi an wenig bekannte Investoren ist die Zukunft der Studios weiter ungewiss

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Das traditionsreiche Filmstudio Babelsberg steht vor großen Veränderungen. Nach dem überraschenden Verkauf der Ateliers am Dienstagabend vermuten Medienvertreter und Wirtschaftspolitiker, dass der Standort vor den Toren Potsdams künftig nach anderen Prioritäten gemanagt wird: Statt Kinofilmen werden wohl Fernsehproduktionen bevorzugt, die Filmbranche könnte zurückgedrängt werden.

Am Vortag hatte das französische Medienunternehmen Vivendi Universal bekannt gegeben, dass die Filmstudios für die symbolische Summe von 1 Euro an eine Investorengruppe unter Führung von Carl Woebcken und Christoph Fisser (beide München) verkauft wurden. Der neue Vertrag ist allerdings noch nicht unterzeichnet.

Ausschlaggebend für den Verkauf an Woebcken/Fisser war nach internen Informationen, dass Vivendi 18 Millionen Euro Altschulden des Studios übernimmt. In den letzten Jahren wurden zwar internationale Großproduktionen gedreht, etwa „Der Pianist“ oder der Stalingrad-Film „Duell – Enemy at the Gates“. Rentabel waren die Studios mit ihren 200 Mitarbeitern aber nicht. Vielmehr wird der Investitionsbedarf gar auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Vivendi (früher unter dem Namen General des Eaux tätig ), das 1992 nach der Übernahme des Geländes großspurig blühende Landschaften für den Filmstandort prophezeite, hatte seit längerem signalisiert, den Schuldenstandort zu verkaufen. In der Potsdamer Landesregierung hatte man zunächst angenommen, dass das Studio Hamburg in Babelsberg einsteigt. Umso überraschter ist man nun, dass statt der NDR-Tochter ein Unbekannter das Rennen gemacht hat. Woebcken, einst Zeichentrickfilmer, leitet eine Filmfondsfirma. Fisser macht Kinderfilme.

Während Fisser nur durchblicken ließ, dass man den Standort in neuer Regie „erhalten will“, glaubt der frühere Studio-Geschäftsführer Volker Schlöndorff, dass sich die Neubesitzer mehr auf Fernsehproduktionen konzentrieren werden. Dies hätten die Münchner wohl in Aussicht gestellt – nach Ansicht Schlöndorffs die falsche Entscheidung, könne man mit großen Kinofilmen doch mehr Geld verdienen. „Dafür besteht eher ein Markt“, so der Regisseur.

Zu Gesprächen wird der neue Eigentümer erst kommende Woche erwartet, sagte Studio-Sprecher Felix Neunzerling gestern. „Dann werden wir sicher mehr erfahren.“ Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) zeigte sich von dem Verkaufsergebnis überrascht, forderte die Neubesitzer aber zu verantwortlichem Handeln auf: „Wir sind über die konkreten Pläne der Käufer nicht informiert worden. Wir gehen aber davon aus, dass jemand, der nach Babelsberg geht, sich der Tragweite bewusst ist.“ In der Vergangenheit war in Potsdam darauf verwiesen worden, dass bei einem Scheitern Vivendis ein neuer Käufer nicht Filme produzieren, sondern mit den Immobilien spekulieren könnte.

Angesichts der derzeit undurchsichtigen Lage forderten Potsdams Oberbürgermeister Jan Jakobs (SPD) und der Betriebsrat der Filmateliers die Landesregierung und die neuen Betreiber auf, „den Standort weiter für internationale Filmproduktionen zu behalten“, so Jakobs. Die Medienstadt, die Filmhochschule und die Studios des RBB dürften nicht verschwinden, betonte Betriebsrat Schmarje.