Präsident der Herzen

Bill Clinton kam, sah und signierte. Obwohl er wenig Neues zu berichten hatte, quittierten die Zuhörer jeden Satz mit Applaus. Kein Wunder: Der Mann ist immer noch verdammt sympathisch

AUS BERLIN FRAUKE HINRICHSEN

Die Menschen lächelten standhaft, trotz des schweren Wälzers in der Hand. Ach, er ist wirklich ein netter Mensch. Expräsident Bill Clinton war es den Besuchern einfach wert: Insgesamt fünf Stunden standen sie Schlange, um dem einst mächtigsten Mann der Welt gegenüberzustehen. „Das würden wir außer für Hillary und Bill Clinton für keinen Popstar auf uns nehmen“, strahlte ein ganz in Stars und Stripes gekleidetes Paar. „Bill Clinton hat einfach Ausstrahlung und gute Politik gemacht.“

Keine Fragen, bitte

Zwischen einem riesigen Bücherstapel im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann stand er – weißhaarig, gut aussehend, im rosa Hemd, mit hellblauer Krawatte und dunkelblauem Anzug. Er wirkte konzentriert, schüttelte mit der Rechten lächelnd Hände, signierte mit der Linken und wechselte ein paar Worte mit den Besuchern, die zu seinem Bücherstand geleitet wurden. Fünfhundert Besucher und hundertfünfzig Journalisten, mehr durften nicht rein. „Die Sicherheitskontrollen sind viel strenger als bei Hillary vor einem Jahr“, murmelten die Experten unter den Wartenden. In der Tat blieb nichts dem Zufall überlassen. Der Secret Service und Clintons Management hatten die Regie im Kaufhaus übernommen, die Mitarbeiter nichts zu melden. Alle Besucher und Journalisten hatten beim Betreten des Gebäudes ihren Personalausweis vorzulegen und eine Sicherheitsschleuse mit Metalldetektor zu passieren. Aufnahmegeräte und Kameras wurden durchleuchtet, Taschen, Handys und selbst Schreibblöcke mussten in der Garderobe bleiben, die Besucher sich abtasten lassen. Sehr penibel kontrollierten die Männer mit dem Draht im Ohr die Einlasskarten. Keine Fragen an Bill Clinton – das war die Ansage für die Journalisten, sonst würde die Veranstaltung womöglich abgebrochen, denn schließlich sei das hier kein Interview-Termin, sondern eine Signierstunde.

Routine und Applaus

Bill Clinton selbst war weniger streng. Nach dem Pflichtprogramm plauderte er draußen gut aufgelegt mit Berlinern und Touristen, sprach hier ein paar Sätze in einen Strauß von Mikrofonen, lächelte dort in die eine oder andere Kamera. Dann fuhr er winkend von dannen – mit kurzem Zwischenstopp zu Christiansen.

Die Talklady war erkennbar aufgeregt und ihrem Gast nicht immer gewachsen. Die investigative Frage nach dem genauen Autorenhonorar (angeblich 10 bis 14 Millionen Euro) blockte er elegant ab. Was folgte, war routinierte Bush-Kritik. Keine Überraschungen, diese aber emotional und eindringlich vorgetragen. Applaus. Als Sabine Christiansen auf Clintons Frauengeschichten zu sprechen kam, drohte ihr das Gespräch gar zu entgleiten. Christiansen meinte in Anspielung auf ein Interview, das Clinton gemeinsam mit Gattin zu einer Affäre mit der Sängerin Gennifer Flowers gegeben hatte, dieses habe nicht gerade dazu beigetragen, seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Da wurde der Gast leicht ungehalten, was sie denn meine, sie sei schlecht informiert, er habe nicht gelogen. Christiansen ruderte zurück und wirkte fortan angeschlagen. Über die letzten Minuten des Gesprächs rettete wiederum Routine. Kerry: ein außergewöhnlich gut geeigneter Kandidat. Clintons Frau: eine engagierte Dienerin des Staates. Und Deutschland: Seid mutig! Es ist schwierig, Germany, aber ihr könnt es schaffen. Applaus, Applaus. Ach, er ist wirklich ein netter Mensch.