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: „Elternschaft ist Diktatur“

Der neue Roman des Satirikers Jonathan Coes ist eine Hommage an die Melancholie

taz: Sie sind berühmt für Politsatire. Warum jetzt eine Familientragödie?

Jonathan Coe: Die Familie ist auch eine politische Einheit. Die Kräfte sind jedoch ungleich verteilt. Die Eltern führen praktisch eine Diktatur.

Das ist ja wohl nicht in allen Familien so.

Klar gibt es Unterschiede. Aber Kinder können ihre Eltern nun einmal nicht wählen oder abwählen – also: Diktatur.

Sie erzählen Ihre Geschichte aus der Sicht einer 73-jährigen lesbischen Frau. War es für Sie schwer sich in die Rolle einzufügen?

Ich schreibe, um aus meiner eigenen Rolle ausbrechen zu können. Es gibt mir Freiheit. Bei Rosamond habe ich jedoch zuletzt festgestellt, dass wir mehr gemeinsam haben, als ich zunächst annahm.

Ihren Charakteren widerfahren sehr harte Schicksalsschläge. Entwickeln Sie kein Gefühl der Verantwortung gegenüber den Figuren, die Sie schaffen?

Doch und ich fühle mich auch schuldig. Aber ich habe bei diesem Roman etwas getan, das ich normalerweise nicht tue. Ich habe das Ende umgeschrieben. Ich musste das tun.

Weshalb?

Die reale Person, auf der eine der Figuren aufbaut, ist ums Leben gekommen. Meine Enttäuschung darüber habe in den Roman übertragen. Die Figur musste sterben, weil ihre Vorlage starb.

INTERVIEW: CJT

Jonathan Coe, „Der Regen, bevor er fällt“ (DVA, 18,95 Euro), Lesung ab 20 Uhr im Literaturhaus, Schwanenwik 38.

JONATHAN COE, 47, Satiriker und Romancier.