Viel Lärm um Schröders Schweigen

CDU/CSU und Grüne werfen dem Kanzler Feigheit vor dem Freunde vor: Beim Gespräch mit Russlands Präsidenten Putin in Moskau verlor er kein Wort zum rabiaten Vorgehen gegen den Yukos-Konzern und seinen inhaftierten Mehrheitsaktionär

AUS BERLIN PATRIK SCHWARZ

Nach der Rückkehr von seinem Moskaubesuch steht der Bundeskanzler einem schwarz-grünen Chor von Kritikern gegenüber. „Ich finde es ein starkes Stück, was Gerhard Schröder sich da geleistet hat“, sagte Friedbert Pflüger, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gestern der taz. „Sich so klar hinter Putin zu stellen, ist ein schwerer Fehler.“ Zuvor hatte bereits Grünen-Chef Reinhard Bütikofer den Kanzler kritisiert, weil der es abgelehnt hatte, gegenüber Präsident Putin das aggressive Vorgehen der Behörden gegen den russischen Ölkonzern Yukos anzusprechen. Die SPD-Außenpolitiker Gernot Erler und Rudolf Bindig nahmen Schröder gegenüber der taz in Schutz.

Pflüger betonte dagegen: „Man kann die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands verfolgen, auch ohne dass wir dafür zu allem Ja und Amen sagen, was Putin macht.“ Wegen Steuerschulden begannen die russischen Behörden gestern mit der Pfändung bei Yukos, während der Konzern argumentiert, die Steuern nicht begleichen zu können, solange auf staatliche Weisung seine Konten eingefroren sind. Yukos-Mehrheitsaktionär Michail Chodorkowski sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft. Der Umgang der Behörden hat nach Bütikofers Ansicht „von Anfang an jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn gesprochen“. Schröder erklärte dagegen, es gebe keine Hinweise, „dass das nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln vor sich geht“. Pflüger hält das Argument für unsinnig: „Selbst wenn wir kein endgültiges Urteil fällen können, gibt es keinen Grund für einen Persilschein.“ Die Bundesregierung dürfe Russland nicht als „Ausnahmepartner“ behandeln.

Dubios bleibt bis auf weiteres die Rolle des Auswärtigen Amts. Dort wollte man sich gestern weder zur Unterstützung von Schröders Linie bekennen, noch die Kritik von Joschka Fischers Parteichef Bütikofer teilen. In der SPD-Bundestagsfraktion ist unterdessen das Bemühen erkennbar, Schröders harten Kurs weich zu zeichnen. „Wenn Yukos zerschlagen wird, ist das ein großes Risiko für die russische Wirtschaft und ein negatives Signal für Investoren“, sagte SPD-Fraktionsvize Erler, „und ich bin sicher, dass diese Sorge auch der Bundeskanzler teilt.“ Der Abgeordnete verwies allerdings auch auf die ungeklärte Herkunft des Milliardenbesitzes des Yukos-Mehrheitsaktionärs. „Da kann ich Reinhard Bütikofer nicht folgen, der von Solidarität mit dem Untersuchungsgefangenen Chodorkowski spricht“. Vor „unangemessener Kritik am Bundeskanzler“ warnt auch Rudolf Bindig, Vorsitzender der AG Menschenrechte in der SPD-Fraktion. „Auch der russische Staat hat ein Recht darauf, Betrug und Steuerhinterziehung zu bestrafen – sofern es rechtsstaatlich geschieht.“ Im Vergleich etwa zu Tschetschenien werde das Yukos-Verfahren in westlichen Medien dramatisiert: „Weil es einen Wirtschaftsmann betrifft, guckt die gesamte Wirtschaftswelt auf diesen Fall.“