Der Amerikaner, der aus Pjöngjang kam

Der einstige US-Soldat Robert Charles Jenkins lebte 39 Jahre in Nordkorea – warum, bleibt mysteriös. Jetzt reiste er aus

Auf den Oberarm hat er sich „U.S. Army“ tätowieren lassen, über dem Herzen trägt er den in Nordkorea obligatorischen Anstecker mit dem Bild Kim Il Sungs. In nordkoreanischen Filmen spielte er einen imperialistischen CIA-Agenten, rief US-Soldaten zur Flucht ins nordkoreanische Arbeiterparadies auf und unterrichtete Englisch, nachdem er selbst ein sehr überzeugter US-Soldat gewesen war.

Der heute 64-jährige Robert Charles Jenkins aus North Carolina gibt Rätsel auf. Für die US-Regierung scheint der Fall klar. Für sie ist Jenkins ein Deserteur, der vor Gericht gehört. Schließlich habe er in einem Abschiedsbrief seine Flucht dargestellt. Für seinen Neffen James Hyman ist Jenkins hingegen ein Opfer, weil er wahrscheinlich nach Nordkorea verschleppt wurde, als er im Januar 1965 mit seinem Trupp an der innerkoreanischen Grenze patrouillierte. Den Abschiedsbrief, dessen Original das Pentagon nicht rausrückt, hält Hyman für eine Fälschung. Denn sein Onkel soll mit „Charles“ unterschrieben haben, doch in seiner Familie sei er immer Robert oder Super genannt worden.

Der Wahrheit ans Licht helfen könnte jetzt das Treffen von Jenkins mit seiner japanischen Frau in Indonesien. Der amerikanische Nordkoreaner flog gestern mit den in Pjöngjang geborenen Töchtern Mika (21) und Belinda (18) in einer von der japanischen Regierung gecharterten Maschine nach Jakarta, um zu klären, wo die Familie künftig leben will.

Jenkins’ Fall wurde erst durch das nicht minder dramatische Schicksal seiner Frau Hitomi Soga bekannt. Davon will Jenkins selbst erst kurz vor dem Oktober 2002 erfahren haben, als das Paar sich das letzte Mal sah, bis gestern. Soga war 1978 von nordkoreanischen Agenten von Japan nach Nordkorea verschleppt worden, wo sie Spione in japanischer Sprache und Kultur ausbilden musste. Dies räumte Nordkoreas Führer Kim Jong Il im Oktober 2002 beim Besuch des japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi ein, der insgesamt fünf Entführungsopfer mit nach Hause nehmen konnte, darunter Soga. Ihr Besuch sollte nur kurz dauern, zumal Jenkins und die Kinder in Nordkorea bleiben mussten.

Doch Japan ließ Soga nicht zurück, und bei einem zweiten Nordkoreabesuch im Mai bekam Koizumi die Erlaubnis, Jenkins und die Kinder mit nach Japan zu nehmen. Doch Jenkins lehnte selbst nach einem einstündigen Gespräch mit Koizumi ab. Denn Japan hat ein Auslieferungsabkommen mit den USA, die Jenkins anklagen wollen. Vergeblich bat Koizumi, dessen Partei sich an diesem Sonntag Oberhauswahlen stellen muss und einen diplomatischen Erfolg braucht, bei US-Präsident George W. Bush um Milde. Doch Bush wagt angesichts des Irakkrieges keinen Präzedenzfall.

Jenkins hatte seine 19 Jahre jüngere Frau 1980 in Pjöngjang kennen gelernt, als er Englischunterricht gab. Jetzt wird erwartet, dass er, anders als in Nordkorea, frei sprechen kann. Seine Frau will mit der ganzen Familie in Japan leben. SVEN HANSEN