Durchhalteparolen in Deutschland

Banken drohen bei Yukos-Pleite Geld zu verlieren, doch Wirtschaft will weiter investieren. Ökonomen skeptisch

BERLIN taz ■ In jeder Stunde rechnen die Mitarbeiter des russischen Ölkonzerns Yukos mit der Zwangspfändung von Unternehmenseigentum durch die russische Regierung. Unterdessen stellen sich ausländische Investoren die Frage nach ausreichender Investitionssicherheit in Russland. Der Schutz von Eigentum gilt als unabdingbar für die Investitionssicherheit eines Landes. Die Rechtmäßigkeit der drohenden Yukos-Enteignung ist nach demokratischem Rechtsverständnis fraglich. Als eine „sehr selektive Anwendung des Rechts“ kritisierte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in seltener Schärfe das Vorgehen der Regierung.

Dennoch ist die deutsche Wirtschaft als weltweit größter Außenhandelspartner Russlands besonders an der Weiterführung ihrer Geschäfte interessiert. Nun begleitet eine Delegation deutscher Spitzenmanager Bundeskanzler Schröder (SPD) auf seiner derzeitigen Russlandvisite. Die Vorstandschefs von Siemens, Ruhrgas, Deutsche Bank und Co. wollen beim russischen Präsidenten Putin auf Transparenz und Rechtsstaatlichkeit im Fall des vor der Pleite stehenden Ölkonzerns Yukos dringen.

Deutsche Bank und Commerzbank sorgen sich auch um jeweils 80 Millionen Euro. Die beiden deutschen Banken gehören nach Medienberichten zu einem internationalen Gläubigerkonsortium, das Yukos einen Kredit von über 810 Millionen Euro gekündigt hat. Möglicherweise kann Yukos diese Kredite nun nicht zurückzahlen.

Doch Gerhard Schröder bleibt gelassen: „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass das nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln vor sich geht“, sagte er gestern in Moskau zu Beginn seines eintägigen Russland-Besuchs. Das Vertrauen ausländischer Investoren in Russland sei groß.

Die Unternehmerverbände schlossen sich seiner Einschätzung an. „Bei den deutschen Firmen herrscht nicht das Gefühl vor, dass es große Investitionsunsicherheit gibt“, sagt der Russland-Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Peter Presber, am Dienstag. „Die Bewertung der wirtschaftlichen Situation gestaltet sich unabhängig von der Yukos-Affäre“, sagte auch der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft vom Bundesverband der deutschen Wirtschaft, Oliver Wieck.

Kritischer äußerte sich Christof Rühl, Chefökonom der Weltbank in Moskau, während eines Interviews mit dem Deutschlandfunk. Der Fall Yukos gefährde das Kernstück der Putin’schen Wirtschaftspolitik, so Rühl. Eine Verschlechterung des Investitionsklimas sei jetzt augenfällig, nachdem Putin in den vergangenen Jahren ein Klima von Stabilität in Russland geschaffen habe.

„Putin hat vom hohen Ölpreis profitiert. An der Wirtschaftsstruktur hat sich nichts geändert“, sagte auch Christian Hirschhausen von der Abteilung Weltwirtschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Situation für Realinvestitionen sei nach wie vor problematisch. MICHAELA KRAUSE