Rot-Weiß-Rot auf Halbmast

Mit einer viertägigen Staatstrauer gedenkt das Land des verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Vereidigung des Nachfolgers ohne Feierstunde

WIEN taz ■ Landesweit wehten die Fahnen auf Halbmast – Österreich trauert um seinen Präsidenten Thomas Klestil. Der 71-Jährige war am Dienstag kurz vor Mitternacht einem Multiorganversagen erlegen. Seit seinem Herzversagen am Montag hatte ihn ein Ärzteteam in künstlichem Tiefschlaf gehalten. Seine zweite sechsjährige Amtszeit wäre heute zu Ende gegangen.

Wie populär der Straßenbahnersohn aus Wien trotz seiner oft abgehobenen Art war, zeigten tausende Trauernde, die sich gestern in der Hofburg einfanden, wo der Leichnam im Jagdzimmer aufgebahrt lag. Auch viele, die angaben, ihn nicht gewählt zu haben, zollten ihm ihren Respekt und trugen sich in das Kondolenzbuch ein.

Amtsnachfolger Heinz Fischer, der heute programmgemäß vereidigt wird, wirkte in einer ersten Reaktion sichtbar ergriffen. „Unser Verhältnis war nicht nur herzlich, sondern sehr herzlich“, sagte er. Die Funktionen des Staatsoberhaupts gingen vorübergehend kollektiv auf die drei Nationalratspräsidenten über.

Die Feierlichkeiten zur heutigen Vereidigung des neuen Bundespräsidenten wurden auf das protokollarische Mindestmaß begrenzt. Eine Verabschiedung des scheidenden Präsidenten im Parlament wurde ebenso gestrichen wie der feierliche Empfang des Nachfolgers.

Erwartungsgemäß fanden auch Klestils politische Gegner Worte der Trauer und Würdigung. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der dem Bundespräsidenten seine Ablehnung der Koalition mit der FPÖ nie verziehen hat, erklärte, er habe am Freitag noch in einer langen Aussprache viele Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt. Darüber sei er sehr erleichtert. Schüssel rief bis zum Staatsbegräbnis am Samstag Staatstrauer aus. Und für einmal schienen alle politischen Parteien zusammenzurücken.

Selbst aus den Reihen der FPÖ war kein zynischer Ton zu vernehmen. „Mit Thomas Klestil hat uns ein großer Diplomat und umsichtiger Staatsmann verlassen, der bis zur letzten Stunde seine Aufgabe mit großem Einsatz ausgeführt hat“, sagte FPÖ-Vizekanzler Hubert Gorbach kurz nach Bekanntwerden der Todesnachricht.

Bis zum kommenden Samstag wird der Sarg in der Hofburgkapelle aufgebahrt. Dann zelebriert Kardinal Christoph Schönborn einen Trauergottesdienst mit einem Requiem im Stephansdom. Anschließend wird der Verstorbene in der Präsidentengruft am Zentralfriedhof beigesetzt. Zahlreiche ausländische Trauergäste werden erwartet.

RALF LEONHARD