Ein sauberer Stadtteil

Unser Quartier soll schöner werden: Bei einem Rundgang durch St. Georg besingt Bürgermeister Ole von Beust die „Perle Hamburgs“

„Schon bald soll der Hansaplatz in einem ‚warmen, feinen Weiß mit niedriger Wattage‘ leuchten“

von Markus Jox

Gestern Vormittag am Steintorplatz: Der Erste Bürgermeister hat sich zu einem Stadtteilbesuch in St. Georg angekündigt. Wichtig aussehende Herren im edlen Tuch erwarten ihn schon. Einer jubiliert ob des Sonnenscheins eilfertig: „Bürgermeisterwedda!“ Kaum ist Ole von Beust erschienen, nähert sich ein Rasta-Mann und johlt: „Bürgermeister, Du bist der Beste! Guck mal, Hamburg ganz sauber!“ Die Bodyguards schauen böse, und die Herren sagen: „Wir haben Probleme mit Menschen, die nicht unbedingt das Stadtbild schön machen.“ Kurz darauf lobt man den „sozialen, liberalen Grundkonsens im Stadtteil“.

Von Beust hastet mit Vertretern des „Bürgervereins zu St. Georg“ und der „Interessengemeinschaft Steindamm“ durch die Straßen. Die sagen, dass aus einem „Schmuddelstadtteil“ ein „beliebter Wohnstandort für 10.300 Bürger“ geworden sei, mehr als 50.000 Hamburger arbeiteten in St. Georg. Allerdings habe die „rasant zunehmende Attraktivität“ zum Anstieg von Boden- und Mietpreisen geführt. Familien mit Kindern hätten es nicht leicht, bezahlbaren Wohnraum zu finden.

In der Welt hatte von Beust bereits am Montag für das nötige publizistische Präludium seines Rundgangs gesorgt. Von einem „Stadtteil der Zukunft“ schwärmte der Bürgermeister in seiner Kolumne – St. Georg sei ein „lebendiges, buntes und internationales Viertel“, aus dem die „Tristesse“ entfleucht sei. Zwar seien „Drogen, Prostitution und menschliches Elend“ nicht verschwunden, aber gleichwohl zeige das Beispiel, „wie sich gemeinsam gegen Verwahrlosung und Kriminalität handeln“ lasse.

„Der Stadtteil krankt daran, dass hier einfach zu wenig Menschen wohnen“, sagt Wolfgang Schüler, der „Quartiersmanager“ von der Interessengemeinschaft Steindamm. Dann zückt er sein Handy und befiehlt jemandem am anderen Leitungsende: „Können Sie bitte dafür sorgen, dass Herr Werner jetzt vor die Tür kommt.“ Sogleich tritt Herr Werner, Inhaber eines Spezialschuhgeschäfts am Steindamm, vor seinen Laden und begrüßt den Bürgermeister. Herr Werner sagt, dass die Innenstadt nicht attraktiv genug und der Hauptbahnhof nach wie vor ein Brennpunkt sei. Schon aber mahnen seine Begleiter von Beust zur Eile: Schnell weiter!

„Bei Bürgermeisterbesuchen war der Steindamm noch immer leer von Bordsteinschwalben“, lacht ein Mitglied des Bürgervereins. Ole von Beust schaut etwas misstrauisch, fühlt sich bei derlei Rundgängen offensichtlich nicht allzu wohl in seiner Haut. St. Georg sei eine „Perle Hamburgs“, sagt er tapfer in mehrere Mikrofone. Präsente oder Petitionen, die ihm überreicht werden, verschwinden rasch in einer großen Aktentasche, die ein junger, adretter Hintersasse des Bürgermeisters eigens bei sich führt.

Am Hansaplatz darf dann der Theatermann Michael Batz ein kurzes Referat über ein von ihm erarbeitetes „Beleuchtungskonzept“ halten. Batz schwärmt von „urbanem Stadtentwicklungsdiskurs“, von der „Wiedergewinnung von Plätzen und Boulevards“ durch Licht. Schon bald soll der Hansaplatz in einem „warmen, feinen Weiß mit niedriger Wattage“ leuchten – der Chef des Hotels „Europäischer Hof“ hat die Anlage und für ein Jahr auch den Strom gesponsert.

Jetzt aber Tempo: Von Beust schnackt kurz mit Kids in Figo-Trikots, spricht einem verletzten Hund gut zu und schaut noch rasch bei „Schorsch“ vorbei, einer staatlich-kirchlichen Einrichtung für integrative Kinder- und Jugendarbeit. Nach 90 Minuten verlässt der Bürgermeister St. Georg im Dienstwagen. Mit der Erkenntnis: „Wir tun so viel Gutes, das wusste ich gar nicht.“