Erholter Kanzler verspricht Erholung

Aus seinem Sommerurlaub kündigt Gerhard Schröder einen bevorstehenden Anstieg der Konjunktur an und will so die Union zur Zusammenarbeit im Bundesrat bewegen. Auch führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit mehr Wachstum

von ANDREAS SPANNBAUER

Der Kanzler gibt sich wieder einmal hemdsärmelig. Kaum hat Gerhard Schröder die ostfriesische Insel Spiekeroog umradelt, schon soll es auch mit Deutschland wieder vorangehen. Noch aus seinem Urlaub verspricht der Regierungschef den Deutschen jetzt den lang ersehnten Aufschwung. Es gebe „Anlass zur Zuversicht, dass insbesondere vom nächsten Jahr an die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wieder deutlich nach oben geht“, ließ Schröder via Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung wissen. Das passt zu den Bildern, die ihn gut gelaunt in Poloshirt und Sommerhose zeigen. Immer mehr Prognosen, so der Kanzler, würden auf eine „konjunkturelle Belebung“ hindeuten.

Tatsächlich mehren sich die Anzeichen für eine baldige Erholung der Wirtschaftslage. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo hat in der vergangenen Woche zum dritten Mal in Folge eine Verbesserung des Geschäftsklimas gemeldet. Auch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung rechnet für das nächste Jahr mit einem Wachstum von 1,8 Prozent. Für den Kanzler kommt der Optimismus der Experten wie gerufen. Er nutzt die Gelegenheit, um die Union im Bundesrat zur Zusammenarbeit zu drängen. Es komme jetzt darauf an, fordert Schröder, die beschlossenen Strukturreformen und die Steuerreform auf den Weg zu bringen. Die Union dürfe dies nicht „zerreden oder blockieren“.

Unterstützung bekommt Schröder von der Europäischen Zentralbank (EZB). Wie die meisten Ökonomen hält auch EZB-Chefvolkswirt Ottmar Issing einen „moderaten Konjunkturoptimismus“ für angebracht. Langfristig aber bleibt Issing skeptisch: „Ohne grundlegende Reformen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, wird die Arbeitslosigkeit hoch und das Wachstum schwach bleiben.“ Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnte noch kürzlich: „Eine durchgreifende konjunkturelle Wende ist auch für nächstes Jahr nicht in Sicht.“

Den Kanzler wird dies kaum von seiner berufsbedingten Zuversicht abbringen. Erst Anfang Juli hatte er „ermutigende Zeichen“ für die Konjunktur entdeckt. Keine vier Wochen zuvor hatte Schröder aus den französischen Alpen schon einmal die wirtschaftliche „Belebung“ für die zweite Jahreshälfte ausgerufen. Nicht ohne Erfolg: Inzwischen rechnen 36 Prozent der Bundesbürger laut Infratest mit dem Aufschwung im nächsten Jahr. Nur 33 Prozent gehen noch von einer Verschlechterung aus. Bisher waren die Pessimisten stets in der Überzahl gewesen.

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