Die betrügerische Wahrheit

Ein Manager versprach einem Künstler einen Kredit. Zunächst wollte er aber eine Kapitalanlage. Der Künstler zahlte. Der Manager nicht. Der steht nun vor Gericht. Und der Geprellte verliert seinen Hof

„Er sprach von dem Projekt in der Türkei und von nordischen Holzhäusern“

VON MAREKE ADEN

Matthias S. weiß wohl, dass man über Leute wie ihn sagt: „Wie kann man nur so dumm sein?“ Er ist von einem Betrüger um Haus und Hof gebracht worden, das ist wörtlich zu nehmen. Heute, am 7. Juli, muss er der Bank offen legen, wie er sein neu erworbenes Gehöft abbezahlen möchte – oder ob er es vorzieht zu räumen. Weil man Leuten, die alles an einen Betrüger verlieren, gern Dummheit unterstellt, ist er sehr froh, dass er vor dem Gerichtssaal 618 des Berliner Strafgerichts das Bild einmal gerade rücken kann.

Den Mann, der im Gerichtssaal 618 wegen Betrugs in fünf Fällen auf der Anklagebank sitzt, kannte er schon einige Zeit, bevor er ihm eine Kapitaleinlage in Höhe von mehreren zehntausend Euro überwies: Und Matthias S. vertraute ihm auch. Es handelte sich nämlich um Günter Sch., seinen Showmanager.

Dazu muss man sagen, dass Matthias S. Künstler ist. Er veranstaltet „mystische Nachtshows“ mit Hypnose und vielen Wahrsagern in Einkaufszentren. Günter Sch. hat die Verträge ausgehandelt. „Er war mein Manager und dadurch wie mein Vater. Man kastriert sich künstlerisch“, sagt Matthias S. Denn rein theoretisch hätte Günter Sch. ihm sagen können: „Morgen trittst du in Unterhosen auf“, er hätte es machen müssen. So jemandem muss man einfach vertrauen können.

Wegen dieses besonderen Vertrauensverhältnisses ist es aber üblich, dass die Showverträge geheim bleiben. Matthias S. konnte sich also nicht auf seine Einnahmequellen berufen, als er von der Bank Geld leihen wollte für den Kauf des Hofs. Er hatte ja keine Papiere, um die Einnahmen zu belegen. Die hatte Günter Sch., der ihm anbot, statt der Bank das Geld zu leihen. Allerdings brauche er die „Kapitaleinlage“. S. zahlte sie. Das Darlehen aber bekam er nie.

Günter Sch. schien sehr seriös. „Der sprach von diesem Projekt in der Türkei und am nächsten Tag von nordischen Holzhäusern“, erzählt Matthias S. Günter Sch. habe Referenzen von „German Events“ vorgewiesen und sogar mal für den Musicalveranstalter „Stella“ gearbeitet und sei noch nicht einmal mit dessen Pleite in Verbindung zu bringen gewesen.

Während Matthias S. das auf dem Gerichtsgang erzählt, handeln hinter der Tür der Richter, der Staatsanwalt und der Verteidiger die Strafe aus. Als Matthias S. endlich wieder hineindarf, gibt der Richter zu Protokoll: „Dem heutigen Hauptverhandlungstermin ist eine Absprache zwischen den Prozessbeteiligten vorausgegangen mit der Maßgabe, dass bei einer geständigen Einlassung gegen den Angeklagten Sch. keine höhere Strafe als vier Jahre verhängt wird.“ Dann wendet er sich dem Angeklagten Günter Sch. zu: „Wir wollen uns nun mit Ihren Vorstrafen beschäftigen.“

Das Amtsgericht Neumünster hat Günter Sch. verurteilt, das in Pinneberg und eins in Kiel, eines in Rheine, und selbst das Berliner im Stadtteil Tiergarten richtete schon über Sch. Es ist verwirrend. Der Richter fragt: „Können Sie sich erinnern, worum es dabei jetzt ging?“ Der Angeklagte fragt zurück: „Um welches Urteil ging es jetzt doch gleich?“ Es ist aber wichtig, denn es sind noch Reststrafen übrig. Die werden auf die ausgehandelte Strafe draufgeschlagen. Gut sechs Jahre wird Sch. wohl insgesamt bekommen.

Matthias S. sitzt auf der Besucherbank. Seine Augen werden etwas wässrig. Er flüstert: „Der soll insgesamt 900.000 Euro beiseite geschafft haben. Wenn er sich gut führt, kommt er eher raus und macht sich ein fettes Leben.“ Das flüstert er in einer Unterbrechung auch dem Staatsanwalt zu. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt. Dann soll auch Matthias S. doch noch als Zeuge gehört werden. Bis dahin wird S. sein Showgeschäft ruhen lassen müssen. Es heißt: „Traum und Wahrheit“.