Hilfe für Monrovia im Kanonendonner

Ab Montag wollen nigerianische Friedenstruppen in Liberias Hauptstadt einrücken. Die notleidenden Menschen in Monrovia hoffen darauf. Hilfswerke verstärken bereits ihren Einsatz. Aber noch dauern die Kämpfe an

BERLIN taz ■ Internationale Hilfsorganisationen verstärken ihre Arbeit in Liberias Hauptstadt Monrovia angesichts der immer verzweifelteren Lage von über einer Million Menschen im eingekesselten Stadtzentrum. „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) schickte gestern aus Belgien ein Flugzeug mit 55 Tonnen medizinischen Hilfsgütern nach Monrovia und kündigte für heute weitere Lieferungen aus Sierra Leone an. Am Donnerstag hatte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bereits einen Hilfsflug nach Monrovia gebracht, unter anderem mit einem Tanklastwagen für Trinkwasser. Das IKRK soll unter anderem die Stromversorgung für Liberias nationales Medikamentenlager wiederherstellen, wo die Weltgesundheitsorganisation wichtige Impfstoffvorräte hält. Gestern wollten das UN-Kinderhilfswerk und das britische Hilfswerk „Merlin“ mit der Verteilung von Hochproteinkeksen in Vertriebenenlagern beginnen.

Die Hilfswerke hoffen auf eine dauerhafte Verbesserung der Lage, wenn tatsächlich am kommenden Montag die ersten Einheiten einer nigerianisch geführten Friedenstruppe nach Monrovia kommen. Dies hatte die „Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft“ (Ecowas) am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen in Ghanas Hauptstadt beschlossen. Nach der nigerianischen Landung am Montag soll demzufolge Liberias Präsident Charles Taylor innerhalb von drei Tagen zurücktreten und das Land verlassen. Gestern trafen westafrikanische Emissäre in Monrovia ein, um mit Taylor darüber zu reden.

Aus Liberias Regierung kamen jedoch widersprüchliche Signale. Taylors Sprecher Vaanii Passawe nannte die Erklärung von Accra einen „Vorschlag“. Verteidigungsminister Daniel Chea sagte demgegenüber, die Erklärung sei mit Taylor abgesprochen und „nicht weit von der Wahrheit entfernt“. Ecowas-Generalsekretär Mohammed Ibn Chambas sagte, es gebe keinerlei Unklarheiten: „Wir werden Taylor die Erklärung erklären. Der Sinn war sehr klar: Am Montag entsenden wir Truppen, und wir erwarten, dass er innerhalb von drei Tagen gehen kann.“

Liberias größte Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie), äußerte die Vermutung, Taylor wolle eigentlich gar nicht die Macht abgeben. „Taylor wird nur durch Gewalt gehen“, sagte Lurd-Führer Sekou Conneh. Seine Kämpfer beschossen gestern früh erneut das Stadtzentrum von Monrovia, nachdem der Donnerstag größtenteils ruhig gewesen war. Ihr Artilleriebeschuss einer der ins Stadtzentrum führenden Brücken forderte neun Tote und schickte die Zivilbevölkerung in ihre Verstecke zurück. Zuvor hatte Liberias Armeechef Benjamin Yeaten sich öffentlich gefreut, dass die Nacht „zum ersten Mal seit zwei Wochen“ ruhig geblieben war.

Eigentlich hat Lurd den Nigerianern zugesagt, den von ihren Kämpfern gehaltenen Hafen von Monrovia friedlich zu übergeben und sich an Monrovias Nordrand zurückzuziehen. Im Hafen von Monrovia hatte das UN-Welternährungsprogramm WFP bis zu den jüngsten Kämpfen genug Vorräte gelagert, um 250.000 Menschen einen Monat lang zu ernähren. Seit der Eroberung des Hafens durch Lurd am 19. Juli sind diese Vorräte nicht mehr zugänglich; die Hilfsorganisationen unterhalten keinen Kontakt zu den Rebellen. Ob Lurd die Vorräte geplündert hat, ist nicht bekannt. „Wir haben Vorräte, aber wir können sie nicht verteilen“, sagte Gregory Blamoh, WFP-Leiter in Monrovia. „Um die Nahrungsmittel verteilen können, müssen die Kämpfe enden.“

Hilfswerke warnten unterdessen, dass die Lage außerhalb von Monrovia zum Teil noch viel schlimmer sei als in der Hauptstadt. Nach der Eroberung von Liberias zweitgrößter Stadt Buchanan 100 Kilometer südöstlich von Monrovia durch Rebellen Anfang der Woche sollen Zehntausende Flüchtlinge in Richtung des internationalen Flughafens und der Stadt Harbel unterwegs sein, wo sich die gigantischen Kautschukplantagen der US-japanischen Firmen Bridgestone und Firestone befinden. Massive Bevölkerungsbewegungen gibt es laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) auch im Norden des Landes. Das UNHCR befürchtet eine Massenflucht in das Nachbarland Guinea.

DOMINIC JOHNSON