fundgrube
: Vergebliche Versuche

Gebaute Glücksversprechungen

In den gegenwärtigen Diskussionen über Stadtumbau geraten die Siedlungen der Neuzeit in den Verdacht, vorsätzlich als Geißel für die Bewohner errichtet worden zu sein. Altstädte, seien sie noch so marode, werden schöngeredet gegenüber den Versuchen, nach dem Zweiten Weltkrieg die unbehausten Menschen durch eine angemessene Heimstatt glücklich zu machen. Heute erahnen wir, dass sich Glück nicht durch den Bau von Städten und Raum schaffen lässt. Einige der vergeblichen Versuche werden in dem Buch „Glück Stadt Raum“ vorgestellt.

In dem Ideal liegt jedoch die Faszination, die etwa auch vom sowjetischen Togliatti ausgeht: Die Stadt, errichtet als Produktionsstätte für den Lada, der den Individualverkehr popularisierte, ist selbst heroisches Bild einer total auf das Automobil ausgerichteten Metropole – jedoch ohne öffentlichen Raum im menschlichen Maßstab.

Auswüchse des Zeitgeschmacks pointieren die Herausgeber durch Gegenüberstellungen – wie zum Beispiel beim Vergleich der Dresdner Einkaufsmeile Prager Straße mit ihrem Vorbild, dem modernistischen Rotterdamer Lijnbaan. Andere Konzepte, wie die New Towns genannten Gartenstädte in Großbritannien, sind bis heute aktuell. Die Suburbanisierung lässt Speckgürtel um die Städte ansetzen – nicht nur in den östlichen Bundesländern, sondern auch am westlichen Rand der Republik, wo wegen der hohen Grundstückpreise im eigenen Land längst viele Holländer jenseits der Grenze ihr Eigenheim errichten.

Im Vorwort beschreibt György Konrád die Relativität von Glück, „wenn eine Familie aus dem Souterrain in ein Obergeschoss umzog“. Platte oder Altbau ist gleichgültig, denn „die Befreiung von Entwürdigung entsprach schon als solche einem rauschhaften Glückszustand“. Seien es das mit sozialistischem Kitsch überladene rumänische Studenten-Kulturhaus von 1960, das ein Hort politischer Emanzipation war, oder die zusammengebastelten Hütten in der dänischen Freistadt Christiania von 1971, in der ein Dasein außerhalb der Konventionen versucht wird: Den Autoren gelingt die Extraktion der zeitgebundenen Faktoren, durch die sich die oft nicht mehr leicht erkennbaren Intentionen einer Architektur im Nachhinein erschließen lassen.

MIKAS

Romana Schneider/Rudolf Stegers (Hg.): „Glück Stadt Raum in Europa 1945 bis 2000“. Birkhäuser-Verlag, Basel/Berlin/Boston 2002, 128 S., 90 Farb- und 50 Schwarzweißabb., 22 €