Hunger und Tod in Liberia

In der von Rebellen eingekesselten Hauptstadt Monrovia sind hunderttausende von Menschen von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Und die internationale Gemeinschaft sieht tatenlos zu

BERLIN taz ■ Menschen essen Hunde und Katzen, Blätter von Bäumen und gekochtes Gras vom Fußballfeld. Reis wird in Fünf-Gramm-Mengen verkauft, die Portion zu umgerechnet ein Euro. In Liberias von Rebellen eingekesselter Hauptstadt Monrovia, in der 1,3 Millionen Menschen leben, bahnt sich ein Massensterben an. Die UN-Nachrichtenagentur Irin zitiert einen Beobachter: „Das hier ist wie das Warschauer Ghetto.“

Monrovia wird ausgehungert. Seit Monaten schon belagern Liberias Rebellen die Hauptstadt des Landes, um Präsident Charles Taylor zu stürzen. Vor diesen Kämpfen sind schätzungsweise 300.000 Kriegsvertriebene aus Dörfern und Flüchtlingslagern in die eine Million Einwohner zählende Stadt geflohen. Seit zwei Wochen ist Monrovia praktisch eingekesselt und von der Außenwelt abgeschnitten. Und seit die Rebellen Monrovias Hafen und diese Woche auch Liberias zweitgrößte Hafenstadt Buchanan erobert haben, kommen die wenigen Hilfswerke in Monrovia auch nicht mehr an ihre Lager heran. Anfang nächster Woche, so schätzen UN-Beobachter, wird es in Monrovia gar nichts mehr zu essen geben.

Ständiger Artilleriebeschuss durch die Rebellen fordert fast täglich Tote. „Es gibt keinen sicheren Ort mehr in Monrovia“, zitiert The Perspective, Zeitung von liberianischen Exilanten in den USA, einen Stadtbewohner. „Man kann überall getroffen werden.“ Eine kirchliche Quelle berichtet: „Alle Schulen, alle öffentlichen Gebäude – alles, was irgendwie Schutz bieten könnte, ist voll mit unglaublichen Mengen von Menschen. Überall findet man Massen von Frauen, Alten und Kindern.“ Sie sind meist völlig mittellos. Und niemand kann sie derzeit versorgen.

Die Unsicherheit zusammen mit der zunehmenden Lebensmittelknappheit machen das Leben unerträglich. Nathalie Civet, Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Monrovia, sagt: „Viele Leute sterben an Kriegswunden, aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt viele anonyme Todesfälle wegen mangelnder ärztlicher Versorgung.“ The Perspective zitiert weiter Stimmen aus Monrovia: „Vergesst die Granaten und Bomben. Es geht um alte Leute, Babys, Kranke, die einfach verhungern.“

Wochenlange Debatten in den USA und in Westafrika über eine Intervention blieben bisher folgenlos. Das US-Hilfswerk World Vision klagt: „Die internationale Gemeinschaft schaut tatenlos zu. Wenn nicht bald eine ausreichend starke internationale Einsatztruppe entsandt wird, besteht kaum Hoffnung auf einen Waffenstillstand, und das Land versinkt in Chaos.“ Bereits letzte Woche hatten mehrere Hilfswerke gemeinsam ein militärisches Eingreifen von USA oder EU in Liberia gefordert. D.J.

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