Die fittesten Bücher

Mit „Unsere Besten – Das große Lesen“, moderiert von Johannes B. Kerner, will das ZDF die 50 beliebtesten Bücher der Deutschen ermitteln lassen

VON MARTIN WEBER

Der größte Deutsche ist längst gefunden. Das Fernsehvolk durfte wählen, das ZDF sendete Ende 2003 „Unsere Besten – Wer ist der größte Deutsche?“, und Konrad Adenauer ist’s geworden. Der verhaltensauffällige Teenager Daniel Küblböck landete auf Platz 16. Knapp hinter Beethoven, aber immerhin noch vier Plätze vor Mozart.

Auf die gleiche fragwürdige, aber quotenträchtige Weise will das ZDF nun mit „Unsere Besten – Das große Lesen“ die 50 beliebtesten Bücher der Deutschen ermitteln lassen. Hetzliteratur, jugendgefährdende Schriften und Sachbücher müssen draußen bleiben, und in der Zeit von Anfang Juli bis Anfang August kann man per Postkarte oder im Internet darüber abstimmen, welche Seiten zwischen zwei Buchdeckeln die besten sind.

Elke Heidenreich, beim ZDF mit ihrer Sendung „Lesen!“ zuständig fürs Vermitteln von literarischer Herzenswärme, entert bei der Pressekonferenz in Köln das Podium mit einem forschen „Ich fang jetzt mal an, mich wichtig zu machen“. Eine ihrer leichtesten Übungen, schießt es einem durch den Kopf – aber das ist nicht ganz fair, weil Frau Heidenreich wider Erwarten vernünftige Bedenken äußert. Dass sie Bestenlisten nicht mag, erzählt sie, und dass sie sich allenfalls dazu durchringen kann, von „Lieblingsbüchern“ zu sprechen – oder von solchen, die einen durchs Leben begleiten.

Auch Thomas Bellut, Programmdirektor des ZDF, weiß um die Problematik der Rangliste, muss aber berufsbedingt die gute Quote von „Die größten Deutschen“ im Kopf haben. Deshalb übt er sich – ein bisschen ungelenk im Gestus, aber eindeutig in der Aussage – in Jugendsprache: „Hey, wir wollen wissen, was ihr gerne lest.“

Unter „Dellingismus“ im fortgeschrittenen Stadium leidet indes Dr. Hans Helmut Hillrichs, Leiter der Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft des ZDF: Das „Reich“ von Reich-Ranicki stecke auch in „Heidenreich“. Sein Sender wolle nicht nur Otto Normalverbraucher zum Lesen bringen, sondern auch Lieschen Müller: „Da steckt ja der Imperativ, die Aufforderung zum Lesen, schon drin. Lies-chen Müller.“

Willkommen in der Wortspielhölle. Und flugs zu dem, was das ZDF nach dem Ende der Abstimmungsphase Anfang August bis zur Büchershow am 1. Oktober macht: nichts. Beziehungsweise: nicht viel. Elke Heidenreich befindet sich mit „Lesen!“ in der Sommerpause und erscheint uns erst Ende September wieder auf dem Bildschirm, und Thomas Bellut erklärt, dass man im ganzen Programm Trailer sendet: „Auch innerhalb der Übertragung der Tour de France.“

Das ist zwar eine etwas dürftige mediale Aufbereitung eines Themas, für das die Mainzer Macher derart aufwendig trommeln, aber immerhin: In eben jenen Trailern erfährt der Zuschauer nicht nur, was Marcel Reich-Ranicki und der Habe-Akku-leer-Beinahebundestrainer Ottmar Hitzfeld gerne lesen. Sondern auch, welches Buch das „GZSZ“-Sternchen Jeanette Biedermann immer wieder gerne auf- und zuklappt.

„Lyrik haben wir bewusst rausgelassen“, sagt Elke Heidenreich dann noch, in all ihrer tantig-herzenswarmen Pracht, „aber natürlich können die Zuschauer auch Lyrikbände wählen, in der Lyrik werden viele Dinge des Lebens erklärt.“

Mag sein. Umso betrüblicher, dass für das ZDF wieder mal Johannes B. Kerner das Erklären übernimmt. „Die besten Deutschen“, „Wie fit sind die besten Deutschen?“ oder „Die fittesten Bücher“ – Kerner macht’s.

Kerner wird am 1. Oktober auch „Unsere Besten – Das große Lesen“ in bewährter Weise wegmoderieren. Höchste Zeit, auszuschalten. Und zu lesen. Ganz ohne Rankings, ganz ohne ZDF, am besten: ganz ohne Fernsehen. Wir werden es erleben: Das geht.