Missglückte Geiselbefreiung schlägt Wellen

Weil Frankreich Brasiliens Regierung die geplante Befreiung Ingrid Betancourts verschweigen wollte, ging alles schief

PORTO ALEGRE taz ■ Die gescheiterte Aktion zur Befreiung der kolumbianischen Politikerin Ingrid Betancourt hat in Paris, Brasília und Bogotá zu Verstimmungen und gewundenen Erklärungen geführt.

Ein Vertrauter des französischen Außenministers Dominique de Villepin, zwei Agenten des Geheimdienstes DGSE und ein Arzt hatten gehofft, die im Februar 2002 entführte damalige Präsidentschaftskandidatin Betancourt im brasilianischen Amazonasgebiet in Empfang nehmen zu können. Ein Hercules-C-130-Militärflugzeug wartete unterdessen auf dem Flughafen von Manaus (taz vom 21. 7.).

Nach einem Bericht der kolumbianischen Sonntagszeitung El Espectador hatte die Guerilla der Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) über einen Mittelsmann Betancourts Schwester Astrid am 4. Juli nach Amazonien gelotst. Die wiederum aktivierte Villepin. Der Außenminister beging einen folgenschweren Fehler: Obwohl sein brasilianischer Kollege Celso Amorim am 7. Juli in Paris weilte, weihte er ihn nicht in die „humanitäre Mission“ ein.

In Manaus verweigerten die 13 Franzosen jede Zusammenarbeit mit der brasilianischen Polizei, doch die kam der Sache rasch auf die Spur. Von neun Stützpunkten im Grenzgebiet schwärmten Polizisten mit Schnellbooten und einem Helikopter auf der Suche nach Astrid Betancourt aus, für die die Franzosen eine Nachricht hinterlassen hatten. Dieser Aufruhr könne der Farc nicht verborgen geblieben sein, sagt Bob Fernandes vom brasilianischen Wochenmagazin Carta Capital, der die Geschichte recherchierte und an die Öffentlichkeit brachte. Für die von einem Boulevardblatt publizierten Spekulationen, nach denen sich die Franzosen zur Behandlung des angeblich krebskranken Farc-Kommandanten Raúl Reyes bereit erklärt hätten, sieht er keine Anhaltspunkte.

Innerhalb der französischen Regierung sorgte der Alleingang des Betancourt-Freundes Villepin für Ärger, denn offenbar waren Präsident Jacques Chirac und Innenminister Nicolas Sarkozy ebenso wenig informiert wie Premierminister Jean-Pierre Raffarin, dem der Geheimdienst untersteht. In Brasília bekam der französische Botschafter eine Protestnote der brasilianischen Regierung überreicht, und in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá bemühte sich Sarkozy um Schadensbegrenzung.

Der Unmut von Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe wird sich in Grenzen gehalten haben, denn Frankreichs Innenminister unterzeichnete letzte Woche ein Abkommen zur Unterstützung der kolumbianischen Polizei, an dem auch Großbritannien und Spanien beteiligt sind. Dabei handelt es sich um die bislang deutlichste Rückendeckung aus der EU für Uribes Kriegskurs gegen die Farc.

Das diplomatische und auch humanitäre Malheur der Franzosen hat eine verblüffende Parallele: 1996 hatte sich in Kolumbien der Privatagent Werner Mauss um die Freilassung deutscher Geiseln bemüht – mit aktiver Unterstützung des Bonner Kanzleramtsministers Bernd Schmidbauer. Die kolumbianische Regierung wurde damals ebenso wenig informiert wie jetzt die brasilianische. Die örtlichen Sicherheitskräfte setzten sich auf die Spur von Mauss und nahmen ihn schließlich auf Geheiß des damaligen Gouverneurs Álvaro Uribe in Medellín fest. Seit diesem Fiasko halten sich deutsche Regierungen im Kolumbienkonflikt weitgehend bedeckt.

GERHARD DILGER