Ashdown feuert Funktionäre wegen Karadžić

Der internationale Verwalter entlässt 60 Politiker der bosnischen Serbenrepublik, weil sie nicht mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag kooperieren. In der Hauptstadt Banja Luka herrscht Empörung

SARAJEVO taz ■ Die internationale Gemeinschaft hat ihre Ankündigung wahr gemacht und 60 hohe serbisch-bosnische Politiker von ihren Posten entfernt. Sie wirft diesen Politikern vor, nicht eng genug mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu kooperieren. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Paddy Ashdown, erklärte gestern in Sarajevo, die Entlassenen seien verantwortlich für ein „Klima der Geheimhaltung, Einschüchterung und kriminellen Straflosigkeit“, das es „Kriegsverbrechern ermöglicht, sich der Justiz zu entziehen“. Die Politiker der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina hätten seit Kriegsende 1995 keinen einzigenKriegsverbrecher festnehmen lassen.

Ashdown entließ unter anderen den Verteidigungsminister des Gesamtstaates, Zoran Djerić, und den Parlamentspräsidenten der serbischen Teilrepublik, Dragan Kalinić. Er ist zugleich Vorsitzender der nationalistischen „Serbischen Demokratischen Partei“ (SDS) in Bosnien ist, deren Bankkonten eingefroren wurden. Kalinić wurden alle öffentlichen Auftritte und jede politische Tätigkeit verboten. Er ist einer der engsten früheren Mitarbeiter des Parteigründers Radovan Karadžić und gilt als einer der wichtigsten Politiker der extremen serbischen Nationalisten in Bosnien und Herzegowina.

Die Behörden der bosnischen Serbenrepublik, die gemeinsam mit der kroatisch-moslemischen Föderation das Nachkriegsbosnien bilden, werden von Ashdown für das Scheitern der Verhandlungen mit der Nato verantwortlich gemacht. Bosnien und Herzegowina sollte auf dem Nato-Treffen in Istanbul eigentlich in das Programm „Partnerschaft für den Frieden“ eingebunden werden werden. Die Bedingung aber war, dass bis dahin die gesuchten Kriegsverbrecher verhaftet werden müssten. Beobachter sehen in der Integration in die Natostruktur den ersten Schritt des Landes für eine Vollmitgliedschaft in der Nato und die Voraussetzung für Verhandlungen mit der EU über eine Integration in die Europäische Gemeinschaft.

Mit der Entlassung der 60 serbischen Politiker will Ashdown eine kooperative Haltung der Serben Bosniens erzwingen. Die ständigen Blockaden von Seiten der Serben führe zu einer Stagnation der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Bosnien und Herzegowina, beklagen internationale Diplomaten und Mitarbeiter des Büros des Hohen Repräsentanten seit langem.

Bosniakische und kroatische Politiker hielten sich nach der Entscheidung Ashdowns zunächst zwar zurück, doch erste Stimmen von Bürgern Sarajevos waren positiv. Endlich sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft Bosniens ergriffen worden, erklärten Journalisten der Zeitschriften Slobodna Bosna und Dani. Die Politik der serbischen Führung habe das Land stranguliert. In der Hauptstadt des serbischen Teilstaates, Banja Luka, herrschte dagegen helle Aufregung über die Entscheidung des Hohen Repräsentanten. Kalinić bezeichnete vor dem Parlament in Banja Luka die Ablösungen als „brutalste Säuberungswelle“, gegen die er beim Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Klage einreichen werde. „Dies hat nichts mit Demokratie zu tun“, erklärte er. Er selbst und viele der betroffenen Abgeordneten seien vom Volk gewählt worden. Der Hohe Repräsentant habe „diktatorische Maßnahmen“ ergriffen und verstoße gegen den Geist der Abkommens von Dayton.

Doch nach Entscheidungen des „Friedensimplementierungsrats“, an dem über 50 Länder und Institutionen beteiligt sind, verfügt der Hohe Repräsentant mit den so genannten Bonn Powers über die Macht, Personen von ihren Posten zu entfernen, die sich gegen die Umsetzung des Abkommens von Dayton stellen. Nach Auffassung Ashdowns müssen die lokalen Behörden in der Frage der Kriegsverbrecher kooperieren.

ERICH RATHFELDER