40-Stunden-Woche ist längst Realität

Arbeitsexperte: Deutsche liegen mit ihrer Arbeitszeit – inklusive Überstunden – im guten alteuropäischen Mittelfeld. IG Metall schwört, dass Siemens Einzelfall bleibt. Weiter gehende Forderungen der Arbeitgeber seien Ideologie

NÜRNBERG afp/ap ■ In der Debatte um flexiblere und längere Arbeitszeiten hat die Bundesagentur für Arbeit den Blick auf die Realität angemahnt. „Die Flexibilität ist bereits sehr hoch“, sagte der Chef der Abteilung Konjunktur, Arbeitszeit und Arbeitsmarkt am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Eugen Spitznagel, gestern.

Schon jetzt arbeiteten rund 40 Prozent aller Beschäftigten mit flexiblen Modellen wie Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten – mit steigender Tendenz. „Die Potenziale sind da, und sie werden auch genutzt“, sagte der Forscher. Das IAB ist der wissenschaftliche Arm der Bundesagentur für Arbeit.

Alle Forderungen nach einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche in Deutschland resultierten aus einer sehr verkürzten Sichtweise, monierte Spitznagel. Beim Streit um die Arbeitszeit dürfe nicht nur auf die tarifliche Wochenarbeitszeit geschaut werden, sondern die Überstunden müssten mit einbezogen werden. Deutsche Beschäftigte arbeiteten inklusive Überstunden bereits jetzt im Schnitt 39,9 Stunden pro Woche.

Damit liege die Arbeitszeit hierzulande so ziemlich genau auf dem Mittelwert der 15 alten EU-Mitgliedsländer von exakt 40 Stunden pro Woche. In der zwölf Länder umfassenden Euro-Zone liegt die durchschnittliche Arbeitszeit nach Berechnungen des IAB bei 39,3 Stunden. Europaweit arbeiteten die Isländer mit 47,3 Stunden pro Woche am längsten, die Franzosen mit 37,7 Stunden am kürzesten.

Nach der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche in zwei Siemens-Werken hatten Arbeitgebervertreter und die Union am Wochenende eine Ausweitung dieses Beispiels gefordert. Die IG Metall erteilte solchem Ansinnen in ihren Branchen gestern erneut eine klare Absage. „Es gibt einen Haufen Trittbrettfahrer, aber mit denen werden wir nicht ins Gespräch kommen“, sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, dem Berliner Tagesspiegel.

Auch Gewerkschaftschef Jürgen Peters betonte, die Regelung bei Siemens sei ein Einzelfall, und dabei bleibe es. Er trat zugleich Berichten entgegen, wonach bereits zahlreiche deutsche Unternehmen über die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche verhandelten. „Uns liegen einige Anträge auf dem Tisch. Aber wenige. Dass es viele sein sollen, ist Wunschdenken einzelner Unternehmer, die keine Probleme haben, sondern aus rein ideologischen Gründen Druck entfalten wollen“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende.

Man werde Arbeitsplätze nicht in Deutschland halten, indem man mit den Löhnen in China und den Arbeitsbedingungen in Indien konkurriere. Auch bei DaimlerChrysler, wo nach Angaben des Betriebsrats bis zu 10.000 Arbeitsplätze gefährdet sind, werde es „mit Sicherheit“ keine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche geben.