Scharon folgt Abbas

Nach dem palästinensischen Regierungschef Abbas reist nun Israels Ministerpräsident in die USA. Im Vorfeld werden Islamisten freigelassen

JERUSALEM taz ■ Die palästinensisch-islamistische Hamas hat wenig euphorisch auf den gestrigen Beschluss der israelischen Regierung reagiert, einhundert ihrer inhaftierten Anhänger freizulassen. „Wir fordern eine Amnestie für alle Inhaftierten, nicht für hier 100 und dort 100“, sagte Machmud Asahar, führender Hamas-Aktivist in Gaza, am Sonntag gegenüber Journalisten.

Für Premierminister Ariel Scharon und seine rechtskonservative Koalition kommt die von 14 Ministern getroffene Entscheidung bei neun Gegenstimmen indes fast einer kleinen Revolution gleich. Noch vor wenigen Wochen war es Scharon nur knapp gelungen, eine Mehrheit für die Entlassung von Häftlingen durchzusetzen, die nicht den radikalen Islamisten angehören.

Gesundheitsminister Dan Naveh, der zu den Falken des Likud gehört und bislang die Amnestie politischer Gefangener grundsätzlich ablehnte, begründete sein gestriges Ja zu Scharons Vorschlag damit, dass der israelische Premierminister, der gestern nach Washigton aufbrach, „nicht wie eine lahme Ente, sondern gestärkt“ in die USA fahren müsse. Die geplante Entlassung von 600 Häftlingen – gut zwei Drittel davon sollen noch diese Woche freikommen – sei eine vertrauensbildende Maßnahme, die darauf abziele, dem palästinensischen Premierminister Mahmud Abbas in den eigenen Reihen den Rücken zu stärken.

Die israelische Armee begann zusätzlich mit der Räumung mehrerer blockierter Straßen vor allem im Raum Ramallah und Bethlehem. Anfang kommender Woche wollen die Chefs der Sicherheitsdienste beider Seiten über den Truppenabzug aus zwei weiteren Städte verhandeln. Dabei könnte es sich um Kalkilia und Jericho handeln. Scharon stehen dennoch schwierige Gespräche mit US-Präsident Georg W. Bush bevor. Im Anschluss an das Treffen mit Abbas am vergangenen Freitag kritisierte Bush den Bau der israelischen Trennanlagen und nannte sie „ein Problem“. Mauern, Zäune und Gräben verlaufen zum Teil mehrere Kilometer östlich von der Grenze von 1967. Scharon hat indes nicht die Absicht, die Errichtung der Trennanlagen zu unterbrechen. Politische Beobachter rechnen damit, dass Bush den Israelis im Gegenzug für einen Baustopp möglicherweise mehr Zeit für die Frage jüdischer Siedlungen einräumt. Entsprechend der „Roadmap“, müsste der Neu- und Ausbau der Siedlungen bereits in der ersten Phase komplett gestoppt werden. Ferner sollten die rund 80 illegalen „Siedlungsvorposten“ geräumt werden. SUSANNE KNAUL