In Liberias Hauptstadt wächst der Horror

Kämpfe in Monrovia intensiviert. Finanzstreit behindert nigerianische Friedenstruppe. USA erwägen Söldner

BERLIN taz ■ Die Rebellen in Liberia haben gestern ihre Angriffe auf die Hauptstadt Monrovia erneut verschärft. Granaten trafen das weitläufige Gelände der US-Botschaft und die unmittelbare Nachbarschaft, als gegen Morgengrauen ein schwerer Artilleriebeschuss des Stadtzentrums einsetzte. 12 Menschen wurden getötet, über 100 verletzt.

Zwei kleine Kinder wurden beim Zähneputzen getötet und sieben Flüchtlinge in einem Schulhof. „Hier sterben unschuldige Menschen, keine Soldaten“, erklärte der 27-jährige Peter Garwah, während verängstigte Menschen Schutz unter Schulbänken suchten. Zahlreiche Verwundete strömten in Notversorgungszentren der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), die als eines der wenigen Hilfswerke noch in Monrovia arbeitet. „Ich verstehe nicht, wie es eine legitime Kriegstaktik sein kann, Artilleriegranaten in dicht besiedelte Gebiete zu schießen“, erklärte Andrew Schechtman, ein US-Arzt von MSF, in einem der taz vorliegenden Brief. Berichten aus Monrovia zufolge heben Mitarbeiter von Hilfswerken am Atlantikstrand Massengräber für hunderte Tote aus.

Liberias größte Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) hat ihre Offensiven trotz gegenteiliger Ankündigungen ihrer Sprecher bei einer in Ghana tagenden Liberia-Friedenskonferenz verschärft, seit sie am Dienstag einen dieser Konferenz vorgelegten Friedensplan ablehnte. Sie hält Monrovias Vorstädte und versucht regelmäßig, die ins Stadtzentrum führenden Brücken zu erobern. In dem von der Außenwelt abgeschnittenen Stadtzentrum, das mit etwa einer Viertelmillion Flüchtlingen überlaufen sein soll, entwickelt sich nach UN-Einschätzung „eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Region“. Nachdem die Lurd vor einer Woche den Hafen eroberte, haben die Hilfswerke keinen Zugang mehr zu ihren Vorräten in den dortigen Lagerhallen.

Ein militärisches Eingreifen von außen lässt derweil weiter auf sich warten. Beratungen in Sierra Leones Hauptstadt Freetown über den Einsatz nigerianischer Friedenstruppen wurden gestern auf Montag vertagt. Am Donnerstag hatte Nigerias Regierung den Einsatz zweier Bataillone von je 650 Mann angekündigt, die jeweils aus Nigeria und aus Sierra Leone heraus nach Liberia geflogen werden sollten und den Kern einer zukünftigen westafrikanischen Friedensmission bilden sollten. Zugleich machte Nigeria klar, dass es die Kosten dieses Einsatzes nicht alleine tragen wollte.

Angeblich verlangen Nigeria und die westafrikanische Regionalorganisaion Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) 100 Millionen Dollar. Der UN-Sonderbeauftragte für Liberia, Jacques Klein, sagte in New York, Nigeria habe für den Einsatz weder Flugzeuge noch Hubschrauber und auch kein UN-Mandat. Der US-Botschafter bei der UNO, John Negroponte, stellte demgegenüber lediglich 10 Millionen Dollar für „logistische Hilfe“ in Aussicht.

US-Außenminister Colin Powell brachte in diesem Zusammenhang private Sicherheitsfirmen ins Spiel. Die logistische Unterstützung der USA für eine Liberia-Friedenstruppe werde „wahrscheinlich von Vertragsfirmen geleistet werden, aber nicht von Truppen, obwohl wir für diese Möglichkeit offen sind“, sagte Powell am Donnerstag in Washington. DOMINIC JOHNSON

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