Das grüne Meer wird immer häufiger gedüngt

In Argentinien sind genetisch manipulierte Sojabohnen zum Motor der angeschlagenen Wirtschaft geworden. Zu einem hohen Preis

VILLA CAÑAS taz ■ Von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires bis nach San Luis sind es 835 Kilometer. Entlang der Ruta Nacional No. 8 ziehen sich die Sojafelder hin wie ein grünes Meer, selten unterbrochen von Rinderweiden. Verkehrte Welt in Argentinien: Während die Städte verarmen, floriert die Wirtschaft auf dem Land dank dem Geschäft mit genetisch manipulierten Sojabohnen. Und der Bohnenboom kurbelt die gesamte Wirtschaft des Landes an.

Nach dem Kollaps Ende 2001 verzeichnete Argentinien im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent, für dieses Jahr sind 6,9 Prozent progonostiziert. Auch der argentinische Peso ist erstaunlich stabil. Die Landwirtschaft ist dank des seit Monaten sehr hohen Sojapreises zum Antrieb für das krisengebeutelte Land geworden. Bei rund 198 Dollar pro Tonne Soja schloss die Getreibebörse von Rosario am Mittwochabend, an der Rohstoffbörse in Chicago wurde die Tonne mit fast 326 Dollar verrechnet – deutlich mehr als vor dem Sojaboom Anfang 2002, als argentinische Landwirte nur mit 150 Dollar rechnen konnten. Auch die Staatskasse freut sich über den hohen Sojapreis, 23 Prozent Exportsteuer kassiert Argentiniens Präsident Néstor Kirchner auf Sojaausfuhren und finanziert damit fast komplett seine Sozialprogramme.

Die Frage ist nur: Wie lange hält der Boom an? Ein nachhaltiges Wirtschaftsprogramm, das den Aufschwung nutzen würde, ist nicht zu erkennen, und Argentinien ist extrem abhängig von der Sojabohne. Im vergangenen Jahr machte der Sojaexport gar 40 Prozent der gesamten Exporterlöse aus. Der Boom zieht andere Branchen mit: die Chemieindustrie, die Maschinenbauer und die Dienstleister. Doch aus der Krise des Landes vor zwei Jahren sind die Landwirte als Gewinner herausgekommen. Bevor Argentinien kollabierte und Anfang 2002 seine Währung abwerten musste, war 1 Peso 1 Dollar wert. Als der Peso nach Freigabe des Wechselkurses um 70 Prozent einbrach, verdreifachten sich die Einkünfte der Landwirte wie von selbst: Seither geben die Bauern nämlich Pesos aus und nehmen Dollar ein, da Getreide in Dollar gehandelt wird. Nicht nur der wirtschaftliche Kollaps hat der argentinischen Landwirtschaft Auftrieb gegeben. Die BSE-Krise in Europa, im Zuge deren die Verfütterung von Tiermehl verboten wurde, ließ die weltweite Sojanachfrage explodieren. Dann erlebten die USA als weltgrößter Sojaproduzent vergangenes Jahr eine große Trockenperiode und konnten nur wenig ernten. Schließlich wurde auch China vom Sojaexporteur zum Sojaimporteur.

Nach der Ernte werden in Argentinien rund 33 Millionen Tonnen Sojabohnen in den Silos lagern. Damit ist das Land nach den USA und Brasilien der drittgrößte Sojaproduzent der Welt. Doch mit dem Sojaboom wird in Argentinien nur für den Export produziert. Die Folge: Produkte für den einheimischen Markt wie Fleisch und Weizenmehl werden immer knapper und teurer.

So könnte der Sojaboom schon bald schlimme Folgen für das Land haben. Die Monokultur raubt dem Boden Nährstoffe, es muss mehr gedüngt werden. Außerdem sind etwa 98 Prozent der Sojapflanzen in Argentinien genetisch manipuliert. Damit sind sie resistent gegen das Pflanzengift Glyphosat, ein Totalherbizid, das alles niedermacht. Der US-Konzern Monsanto macht daraus sein Spritzmittel „Roundup“ und er verkauft dazu sein Sojasaatgut „Roundup Ready“. Ein rundes Geschäft für den Monsanto-Konzern, der ein Patent auf die Roundup-Ready-Bohnen hat. Die Folge: Durch den massiven Einsatz der Pestizide sind auch „Unkräuter“ resistent geworden. Immer größere Dosen von Pflanzengift müssen sie in Schach halten und vergiften Land und Leute. 150 Millionen Liter Roundup regnen pro Jahr in Argentinien auf 14 Millionen Hektar Sojapflanzen nieder. Das Versprechen der Gentechnik, für weniger Pestizideinsatz zu sorgen, verkehrt sich ins Gegenteil. INGO MALCHER