Hohe Preise für treue Leser

Die Medienkrise erreicht die Kunden: Wegen sinkender Anzeigenerlöse müssen sie sich an höhere Preise gewöhnen. Und die Verlage müssen lernen, mit niedrigeren Auflagenzahlen umzugehen

von MAREKE ADEN

Der Spiegel hat’s gemacht und die Süddeutsche Zeitung, die FAZ auch, selbst Bild hat’s getan: die Preise erhöht. Zuletzt änderten sich die Zahlen, die oben im Eckchen auf der Titelseite stehen, bei der FAZ und der SZ. Seit 1. Juli kostet die überregionale SZ-Ausgabe am Kiosk 10 Cent mehr.

Früher stiegen die Preise auch, und es ging um ungefähr dieselben Summen. Trotzdem gibt es Unterschiede: „Vorher haben wir alle Jahre wieder die Preise erhöht“, sagt Sebastian Lehmann, Pressesprecher des Süddeutschen Verlags. Die Julierhöhung war aber schon die zweite in diesem Jahr. Bereits im Januar stieg der Einzelpreis um 10 Cent und das Abo um 2 Euro.

Auch die Rechtfertigung gegenüber den Lesern hat sich geändert. Es geht nicht um gestiegene Papierpreise oder höhere Zustellerlöhne. Jetzt ist es das „veränderte Geschäftsmodell“: Vorbei die Zeit, in der zwei Drittel der Einnahmen aus Anzeigen und nur ein Drittel aus dem Verkauf kamen. Die Anzeigen bleiben aus, und der Verkaufs- und Abonnementspreis muss das zumindest teilweise kompensieren. (Bei der taz sieht das Verhältnis traditionell und gegen alle Branchentrends grob so aus: Werbeerlöse 20, Zeitungsverkauf 80 Prozent). Wie die Leserschaft darauf reagiert? Kann man noch nicht beurteilen, sagen die befragten Vertreter von SZ, Spiegel und Zeit.

Verlust nach Plan

Die SZ allerdings hat gerade gegenüber dem Vorjahresquartal an Auflage verloren, ein Minus von 2,3 Prozent laut den Auflagenermittlern der IVW. Das dürfte die Unternehmensberatung Roland Berger freuen. Die hatte der SZ bereits Ende letzten Jahres empfohlen, weniger Exemplare zu drucken, um Kosten zu sparen. Frankfurter Rundschau und auch der Springer Verlag praktizieren das schon offiziell. „Rentable Auflage“ nennt sich das. Deswegen werden billige Sonderverkäufe an Fluglinien oder Hotels zurückgefahren, die bisher die Auflage künstlich hoch hielten, um Anzeigenkunden zu beeindrucken. Da dürften die Reichweitenzahlen (siehe Kasten) stärker in den Vordergrund rücken.

Und SZ-Sprecher Lehmann verweist auf eine steigende Beliebtheit der SZ bei einkommensstarken Entscheidungsträgern. Und überhaupt wisse doch auch der Leser „wie die Lage ist“. Viel übler als höhere Preise nähme der weitere Einsparungen und eine schlechtere Zeitung. Doch der Kostendruck könnte womöglich die einkommensschwachen Leser vertreiben; die Informationsgesellschaft wird elitärer.

Einstweilen freuen sich die Vertreter von Zeit, Spiegel und Bunter aber noch über Preissteigerungen. Auf dem Medienkongress hamburger dialog Ende Mai sagte der Geschäftsführer der Bunten: „Vor wenigen Wochen haben wir die Preise erhöht, der Aboverkauf reagiert sehr positiv.“ Rainer Esser (Zeit), und Matthias Schmolz (Spiegel) prahlten, dass die Preiserhöhungen sich nicht merklich auf Auflagenzahlen ausgewirkt hätten: „Die Leser sind treu geblieben.“

Das hängt auch mit dem Zeitpunkt der Erhöhungen zusammen. Nach fast zehn Jahren Stillstand ist der Spiegel innerhalb eines Jahres um 50 Cent teurer geworden. Die erste von zwei Preiserhöhungen fand kurz vor dem 11. September 2001 statt. Mit der 38. Ausgabe 2001, die eine große Staubwolke zeigte, die zwei eingestürzte Türme in New York aufgewirbelt hatten, stieg die Auflage schlagartig um fast 100.000 Exemplare. In dem Fall sei das „Glück“ gewesen, sagt der Leiter des Spiegel-Vertriebsmarketing, Lars-Henning Patzke. Normalerweise kalkulieren Verlage aber mit dem Informationsbedürfnis der Leser. So nahmen viele Blätter bei ihren Preiserhöhungen im Jahr 2002 die Spannung vor den Bundestagswahlen mit, später dann das Interesse vor dem Irakkrieg.

Noch mal 50 Cent

Die Preiserhöhungen bewegen sich zwischen 5 und 20 Cent. Das reicht längst nicht aus. Denn auch im letzten Jahr verloren die Tageszeitungen in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger zusammen 592 Millionen Euro an Anzeigeneinnahmen gegenüber dem Vorjahr – verglichen mit nur 144 Millionen Euro Mehreinnahmen aus dem Verkauf.

Ganz ohne Anzeigen müssten die meisten Zeitungen mehr als das Dreifache kosten – bei gleicher Auflage. Wenn der Anzeigenmarkt weiterhin lahmt, dann sind für Qualitätszeitungen Preiserhöhungen von weiteren 30 bis 50 Cent fällig.

Die höheren Preise auszutarieren, ohne dass Kundschaft wegbröckelt, das wird „das schwierige Spiel“ der nächsten Jahre sein, sagt der Medienwissenschaftler Horst Röper. „Aber das schadet nicht.“ Das Verhältnis der Verlage zu den Werbern aus der Wirtschaft sei eher ungesund gewesen. „Die Frage nach dem Preis mussten sich die Verlage in den letzten Jahren ja gar nicht mehr stellen. Jetzt kehrt Normalität ein.“