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: Erst wenn international gegen US-SoldatInnen ermittelt wird, siegt das Völkerrecht

Die Regierung Bush ist im UNO-Sicherheitsrat gescheitert, als sie weiterhin Immunität für US-Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) forderte. Die Ablehnung dieses eindeutig völkerrechtswidrigen Antrags durch das höchste UNO-Gremium wäre eigentlich selbstverständlich. Dass sie von den Antragskritikern jetzt als „großer Sieg für das internationale Recht“ gefeiert wird, zeigt: Die Maßstäbe haben sich gravierend verschoben, und die Ansprüche sind in den letzten Jahren äußerst bescheiden geworden.

 Schon als die US-Regierung ihr Ansinnen vor zwei Jahren zum ersten Mal in den Rat einbrachte, war klar, dass dieser Antrag sowohl gegen die UNO-Charta als auch gegen das Statut des IStGH verstieß. Dennoch wurde er angenommen, weil die Vetomacht USA den Rat eiskalt erpresste. Sie hatte gedroht, die damals gerade anstehende Verlängerung der UNO-Mission in Bosnien zu blockieren. Ein ähnliches Erpressungsinstrument stand Washington diesmal nicht zur Verfügung.

 Der Antrag ist jedoch vor allem aus einem anderen Grund gescheitert: weil US-SoldatInnen und ZivilistInnen Gefangene im Irak und an anderen Orten misshandelt und gefoltert haben. Zudem hatten die Mitglieder des Sicherheitsrats zunehmend den Eindruck, dass die nationale Justiz der USA, anders als von der Bush-Administration behauptet, diese Vergehen nicht mit der notwendigen Intensität und Unabhängigkeit auch gegenüber höchsten Ebenen politischer und militärischer Verantwortung verfolgt.

 Daher rückt die Möglichkeit von Ermittlungen des IStGH gegen US-Bürger in diesen oder auch in künftigen Fällen zunehmend in den Bereich des Möglichen. Hinter der wenig überzeugenden Sorge vor „willkürlichen Prozessen“ gegen US-Bürger, mit der die Bush-Regierung ihre Ablehnung des IStGH begründet, dürfte die begründete Angst vor durchaus berechtigten Verfahren stehen.

 Das Scheitern des US-Antrags im Sicherheitsrat sollte jedoch nicht zu Illusionen verführen. Denn die Bush-Regierung wird weiterhin andere Staaten zu bilateralen Immunitätsabkommen nötigen – als Nächstes den Irak. Wenn es den Mitgliedern des Sicherheitsrats gelänge, der kommenden „souveränen“ Regierung in Bagdad erfolgreich den Rücken gegen diese Nötigung zu stärken –, erst dann wäre es „ein großer Sieg für das internationale Recht“. ANDREAS ZUMACH

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