Der ganz große Filmdeal

Der Medienkonzern Vivendi will die Filmstudios Babelsberg wieder loswerden – und dafürsogar Millionen drauflegen. Die NDR-Tochter Studio Hamburg gilt als aussichtsreichster Bieter

von STEFFEN GRIMBERG

Eine Traumfabrik stellt man sich gemeinhin anders vor: 70 Millionen Dollar hatte der französische Mischkonzern General des Eaux 1992 für das deutsche Filmstudio gezahlt. Jetzt wäre das mittlerweile zum Medienkonzern Vivendi mutierte Unternehmen froh, wenn es den Studiokomplex in Potsdam-Babelsberg wieder loswürde. Dafür müsste der Konzern aber weitere Millionen drauflegen. Der aussichtsreichste Bieter kommt aus Hamburg, ist schon umfänglich in Berlin aktiv – und gehört auch noch dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Es ist die NDR-Tochter Studio Hamburg.

Mehrfach wurde in den letzten Wochen berichtet, der Deal stehe kurz vor dem Abschluss. Doch wie oft in der bald 100-jährigen Filmgeschichte des Studios am Rande der Hauptstadt (siehe unten) ziehen sich die Verhandlungen hin. Denn einmal gibt es weitere Interessenten: Der bisherige Studiochef Thierry Potok will Babelsberg per Management-Buy-out übernehmen und weiter auf eine Kombination von Film- und Fernsehproduktion setzen. Zudem hatte vor rund zwei Wochen auch eine Münchner Investorengruppe überraschend ein Gebot abgegeben.

Der „negativen Kaufpreis“ kommt zustande, weil Babelsberg durch Steuerschulden in zweistelliger Millionenhöhe und Auflagen der Treuhandanstalt zur Geländenutzung belastet ist. Nach Brancheninformationen strebt die NDR-Tochter eine Zuzahlung Vivendis von 40 bis 50 Millionen Euro für die Übernahme an, meldet der Fachdienst epd medien. Mit einer Summe von 20 bis 25 Millionen Euro liegt die Forderung der Management-Buy-out-Gruppe um Thierry Potok um einiges niedriger.

Außerdem ist das Engagement von Studio Hamburg alles andere als unumstritten: Dass Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, von 1992 bis 2000 selbst Studiochef in Babelsberg, im Welt-Interview heftig gegen die Hanseaten wettert, ist da noch zu verschmerzen. Schließlich verhält es sich mit dem Mythos Schlöndorff ganz ähnlich wie mit dem Mythos Babelsberg als „einziger Weltmarke des deutschen Films“.

Doch eine gesunde Skepsis ist angebracht: Studio Hamburg betreibt in Berlin bereits die Tochterfirma Studio Berlin auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Fernsehens in Adlershof. Die Auslastung dort sei gut, heißt es. Vorauszusagen, wie aussichtsreich aber die künftige Entwicklung der TV-Produktion im immer noch rückläufigen deutschen Fernsehmarkt ist, wären aber reine Spekulation. Die beiden großen Privatsenderfamilien RTL und ProSiebenSat.1 bauen gerade ihre eigenen Produktionsdienstleister um. Und über ARD und ZDF schweben weiter Sparzwang und die ungeklärte Gebührenfrage.

Andererseits gilt die aufwändige nationale Fiction-Produktion à la „Das Wunder von Lengede“ oder „Stauffenberg“ als Königsdisziplin des Fernsehens. Hier kann Babelsberg mit seinem durch die Kinoerfahrung geprägten Personal punkten. Doch gerade der große Kinofilm, so befürchten Kritiker der Studio-Hamburg-Lösung, würde bei einer Studioübernahme durch das Fernsehen ins Abseits gedrängt.

Dennoch gilt Studio Hamburg als der langfristig beste Kandidat für Babelsberg: Das Kinogeschäft ist auf wenige sehr große Einzelproduktionen beschränkt, zudem konkurriert Babelsberg mit renommierten Studios in Tschechien und Polen, wo die Kosten oft niedriger sind. Das Fernsehen garantiere hier sehr viel mehr Kontinuität, sagt etwa Klaus Keil, bis März Chef der Berlin-Brandenburger Filmförderung. Und auch einigen führenden Repräsentanten an der Studiospitze werden – trotz Potoks Buy-out-Plänen – Sympathien für die TV-Lösung nachgesagt.

Wer auch immer zum Zuge kommt: Nach einem Eigentümerwechsel wird ein drastischer Stellenabbau erwartet. Von den 250 Beschäftigten soll – laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey – etwa die Hälfte entlassen werden, meldet epd.