DDR in Grün

Eher was für Ostler: Claudia Rusch las aus ihrem Debüt „Meine freie deutsche Jugend“ und das Publikum kicherte

Ihre Jugendweihe hat sie in Grün erlebt. Alle, versichert Claudia Rusch, Jungen und Mädchen, trugen damals Rot, Schwarz oder Weiß. Nur sie, die Dissidententochter, deren Eltern Systemkritiker und Havemann-Freunde waren, entschied sich für Grün.

Im Saal wird gekichert. Nicht nur, weil man sich an den pointierten, knapp gehaltenen Texten der Autorin freut, sondern vor allem, weil man einen guten Teil des Erzählten selbst erfahren hat. Claudia Rusch kommt gut an mit ihren Geschichten. Bei der Premiere ihres Debüts „Meine freie deutsche Jugend“ in der gnadenlos überfüllten Aula einer alten Schule in Prenzlauer Berg sind sich alle einig. Claudia Rusch weiß, wovon sie spricht. Und vor allem: Sie, deren Buch als Nachfolgeprojekt von Jana Hensels „Zonenkinder“ gehandelt wird, betreibt keine Ostalgie zur Belustigung der Westler, sondern beschreibt die DDR, wie sie wirklich war, schnörkelloser und politischer als ihre Kollegin. Und damit spricht sie vor allem Ostler an, die, wenn sie Ruschs Buch lesen, sich selbst wiederfinden.

Als Claudia Rusch auf die Bühne klettert, knüpft die 32-Jährige mit aufgestecktem Haar und ihrem dekolletierten schwarzen Kleid zunächst einmal eher an die Marke „Pfarrerstochter“ an als an die Marke „Pop“, stellt sich umständlich hinter ein altertümliches Holzkatheder, bedankt sich etwas altbacken dafür, dass man so zahlreich erschienen sei. Aber sofort als sie beginnt zu lesen, macht sich diese erstaunliche Stimmung des Einklangs breit, und das bei der Hitze und obwohl vierhundert Personen erschienen sind und einige sogar von draußen zuhören müssen. Eindeutig in der Überzahl sind an diesem Abend ergraute Herren und Damen im lässigen Natur-Look, mit aufgestecktem Haar bzw. Rauschebärten, Bürgerrechtsbewegte mit dem typischen Eingeweihten-Flair. Man kennt sich, nickt sich zu. Ein bisschen ist es wie Prenzlauer Berg bevor der Westen kam.

Aber dann sind da auch viele Junge, die Ostberliner Elite-Oberschulen besucht haben mögen, Leute, die Jugendweihen in den Achtzigern erlebt haben, die noch wissen, dass man kein Grün trug und die viel und ausgiebig kichern. JANA SITTNICK