Schüler schuften für Osteuropa

3000 Bremer Schüler hatten gestern ihren „Sozialen Tag“. Anstatt in die Schule, gingen sie arbeiten. Über drei Millionen Euro für Hilfsprojekte in Osteuropa kamen bei der Aktion zusammen

Bremen taz ■ Svea und Rebecca finden den Holzstuhl im Klassenzimmer heute ungewöhnlich bequem. Wie etliche Bremer Schüler haben sie einen Muskelkater auszukurieren – vom Heben, Schleppen, Rumräumen und Schrubben gestern. Anstatt Mathe zu büffeln, ackerten insgesamt 220.000 Schüler in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin in Fahrradhandlungen und Angelshops, beim Eiscafé nebenan und im Nachbargarten, um von ihrem Lohn eine Ausbildungsfarm in Rumänien und ein Schulprojekt für Roma-Kinder in Bosnien zu unterstützen. Zwischen 3,3 und 3,5 Millionen Euro haben sie zusammengebracht, das Geld geht an die Schülerinitiative „Schüler-Helfen-Leben“, die seit 1992 Hilfsprojekte in Osteuropa organisiert.

„Ein Muskelkater, auf den man stolz sein kann“, finden Svea und Rebecca, obwohl sie sich schon nach zwei Stunden Arbeit in einem Möbelhaus zurück in ihr Klassenzimmer wünschten. Oder an eine Arbeitsstelle, bei der es außer Kohle auch Einblicke in Berufe gab, die sie interessieren. So wie Ute Matzner zum Beispiel. Die siebzehnjährige Bremer Hauptorganisatorin assistierte einen Tag lang Bürgermeister Henning Scherf, dem Schirmherren der Kampagne in Bremen, wo der Aktionstag dieses Jahr zum ersten Mal stattfand und sich 3000 Schüler aus 33 Schulen beteiligten. Svea und Rebecca dagegen räumten bis um sieben CD- und Bücherattrappen aus den Regalen, hingen Plakate ab und auf. Fünf Euro pro Stunde gab es pro Kopf. „Wir sind aber froh, überhaupt einen Job gefunden zu haben.“ Die Arbeit fing für die beiden 14-Jährigen nämlich nicht erst gestern um 10 Uhr an. Seit September planen sie die Aktion. Denn: „Das Faszinierende bei Schüler-Helfen-Leben ist, dass die Jugendlichen das Projekt komplett alleine organisieren“, sagt ihre Lehrerin und reichte das Schultelefon bei Nachfragen zum Projekt direkt an die jungen Leute weiter. Auch im Bundesbüro in Neumünster ist keiner älter als Anfang zwanzig. Von dort aus koordinierten fünf FsJler die Arbeit der engagierten Schüler, die schon bei den „Sozialen Tagen“ 1998, 2000 und 2002 Millionenbeträge zusammenbrachten. An der Pestalozzi-Gesamtschule in Gröpelingen waren das vor allem Svea und Rebecca. Sie haben 300 Briefe an Firmen im Umfeld geschrieben, um sich und ihre Mitschüler für den Aktionstag unterzubringen. „Mehr als die Hälfte unserer Klasse ging aber leer aus.“ Es lohne sich nicht, für einen Tag jemanden einzuweisen, hieß es. „Die anderen haben gestern in der Schule Ausflüge geplant und Videos geguckt: ‚Der Knochenjäger‘ und so.“

Das Engagement von Seiten der Arbeitgeber fiel dieses Jahr allgemein gering aus. Obwohl mehr Schüler als je zuvor teilnahmen, ist der Gesamterlös um mehrere hunderttausend Euro geringer als 2002. „Auch die Stundenlöhne der Schüler scheinen von der gesamtwirtschaftlichen Krise betroffen zu sein“, kommentierte das Bundesbüro.

Dorothea Ahlemeyer