Beruhigung mit tödlichen Folgen

Nach einem Polizei- und Erste-Hilfe-Einsatz stirbt ein Afrikaner in Wien. Ein Amateurvideo belastet die Beteiligten schwer. Diese sollen auf ihrem Opfer gestanden, es auf die Straße gedrückt und medizinische Hilfe unterlassen haben. Staatsanwalt ermittelt

aus Wien RALF LEONHARD

Der Tod eines 33-jährigen Afrikaners vor einer Woche wird vom Unfall zum Kriminalfall. Cheibani W., der im so genannten Afrikadorf im Wiener Stadtpark als Nachtwächter gearbeitet hatte, war nach einem Tobsuchtsanfall von Polizei und Sanitätern abgeführt und ruhig gestellt worden. Nach Verabreichung des Beruhigungsmittels Haldol im Ambulanzwagen habe er, so die ursprüngliche Aussage des Rettungsteams, das Bewusstsein verloren. Kurz darauf verstarb er im Krankenhaus. Herzversagen lautete die erste Diagnose. Der Mauretanier habe wohl einen Herzfehler gehabt.

Ein Amateurvideo, das der Wiener Stadtzeitung Falter zugespielt wurde, belastet jetzt die Polizei, aber vor allem das Sanitäterteam. Das von einem Nachbarn gefilmte Video, das am Montag auch in den ORF-Nachrichten gesendet wurde, zeigt einen reglos am Boden liegenden Mann mit Handschellen. Minutenlang stehen eine Polizistin und mindestens ein Sanitäter auf ihm. Andere drücken ihn auf die Straße. Der Rettungsarzt steht unbeteiligt dahinter.

Als der Mann dann in den Rettungswagen gelegt wird, kippt sein Kopf mehrmals nach hinten. Noch immer werden keine Wiederbelebungsversuche unternommen. Mit diesen Bildern konfrontiert, suspendierte der Rettungschefarzt Alfred Kaff alle Mitglieder des Sanitäterteams. Das „Büro für interne Angelegenheiten“ im Innenministerium ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen eingeleitet. Darauf stehen bis zu drei Jahre Haft.

Die beteiligten Polizisten wurden nicht dienstfrei gestellt. Polizei und Rettung waren vom Leiter des Afrikadorfs, Erfried Malle, gerufen worden. Er habe sich von dem Afrikaner bedroht gefühlt und sei in sein Auto geflüchtet. Cheibani W. habe darauf sein Auto attackiert und den Türgriff herausgerissen. Zeugen wollen aber gesehen haben, wie Malle angefahren sei und den Mauretanier mit der Hand im Griff mitgeschleift habe. Was den Stimmungswandel des als freundlich bekannten Mannes bewirkt hat, ist unbekannt. Vermutungen, der Mann sei drogensüchtig gewesen, wurden von seinen Freunden nicht bestätigt. Der Mann lebte seit vielen Jahren in Wien, war mit einer Österreicherin verheiratet und der Polizei nie aufgefallen. Insgesamt werden 30 Zeugen vernommen. Der endgültige Autopsiebericht wird in frühestens einer Woche vorliegen. Die Todesumstände des Cheibani W. erinnern an den Fall des Nigerianers Marcus Omofuma, der 1999 bei seiner Abschiebung im Flugzeug starb. Er war wegen Gegenwehr mit Klebebändern an den Sitz gefesselt und geknebelt worden. Auch bei ihm war der Todeskampf noch als Widerstand gegen die Staatsgewalt gedeutet worden. Das Afrikadorf, wo man afrikanisches Kunsthandwerk kaufen kann, wurde nach dem Tod von Cheibani W. geschlossen.