Tod nach Folter beim Verhör

Eine Untersuchungskommission in Teheran legt Bericht zum Fall Zahra Kazemi vor. Danach starb die zuvor inhaftierte Journalistin infolge eines Schädelbruchs. Irans Justiz, die die Version von einem Schlaganfall verbreitet hatte, gerät unter Druck

von BAHMAN NIRUMAND

Nun ist es offiziell bestätigt: Die kanadisch-iranische Journalistin Zahra Kazemi ist nicht, wie zunächst behauptet, infolge eines Schlaganfalls gestorben. Eine Autopsie ergab, dass die Todesursache ein Schädelbruch war, der entweder durch Schläge auf den Kopf oder durch einen Aufprall des Kopfes auf einen harten Gegenstand hervorgerufen wurde.

Die 54-jährige Fotoreporterin, die als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften wie Recto Verso, Gazotto de femme, Globe and Mail und Camera Press arbeitete, war seit Jahren in Kanada eingebürgert. Sie war Mitte Juni aus Anlass der Studentenunruhen nach Iran gereist und, während sie vor einem Gefängnis in Teheran fotografierte, festgenommen und wegen angeblicher Spionagetätigkeit inhaftiert worden. Am 11. Juli starb sie im Krankenhaus an Hirnblutungen.

Ihr Tod löste im In- und Ausland große Empörung aus. Die kanadische Regierung reichte eine Protestnote beim iranischen Außenministerium ein und verlangte die Aufklärung des Falls. Auch Journalistenverbände, darunter der iranische Journalistenverband, protestierten gegen das Vorgehen der Polizei und Justiz. Daraufhin setzte Staatspräsident Chatami eine Untersuchungskommission aus Mitarbeitern von vier Ministerien ein und versprach, den Fall so rasch wie möglich aufzuklären.

Die Kommission, deren Abschlussbericht am Sonntag veröffentlicht wurde, stellt fest, dass Zahra Kazemi infolge eines schweren Schädelbruchs und sich daran anschließender Hirnblutungen gestorben ist. Sie empfiehlt, einen unabhängigen Richter mit der Untersuchung zu beauftragen. Die Empfehlung ist insofern absurd, als allgemein die Justiz, namentlich der berühmt-berüchtigte Staatsanwalt Said Mortasawi für den Tod der Journalistin verantwortlich gemacht wird.

Bekannt wurde Mortasawi dadurch, dass er als Richter zahlreiche Zeitungen verboten und mehrere Journalisten zu langen Gefängnisstrafen verurteilt hatte. Erst vor wenigen Monaten wurde er zum obersten Staatsanwalt der Hauptstadt ernannt.

Wie der Abgeordnete Mohsen Armin vor dem Parlament erklärte, soll die Fotoreporterin nach ihrer Festnahme zwei Tage von Beamten der Staatsanwaltschaft verhört und schwer geschlagen worden sein. Auch Mortasawi soll bei den Verhören anwesend gewesen sein. Nach den Verhören habe der Staatsanwalt das Informationsministerium aufgefordert, die Gefangene zu übernehmen. Dort habe Frau Kazemi über ihre Verletzungen geklagt und sei ins Krankenhaus gebracht worden, wo sie nach wenigen Stunden gestorben sei.

Unmittelbar danach habe Mortasawi einen Staatssekretär im Kultusministerium aufgefordert, auf einer Pressekonferenz den Tod der Journalistin bekannt zu geben und zu erklären, dass sie infolge eines Schlaganfalls gestorben sei. Damit nicht genug: Er selbst habe mehrere Agenturen und Zeitungen aufgefordert, diese Nachricht zu verbreiten.

Armin verwies auch auf zahlreich Haftbefehle, die Mortasawi in den vergangenen Wochen gegen Studenten, die an den jüngsten Unruhen beteiligt waren, erlassen hat. „Ich weiß, dass Mortasawi nicht ohne Rückendeckung solche Schritte unternehmen kann“, sagte er. Seine Dreistigkeit gehe heute so weit, dass er den Zeitungen die Schlagzeilen vorschreibe. Er forderte den Rücktritt des Staatsanwalts und seiner Mitarbeiter. Sie sollen sich vor einem öffentlichen Gericht verantworten. Weitere Abgeordnete schlossen sich den Forderungen Armins an. Nach Einschätzung politischer Beobachter könnte der Tod der Journalistin zu einer Generalabrechnung mit der iranischen Justiz führen.