Thüringer Bratwürste in China

Er schuf sich seinen Arbeitsplatz in Schanghai. Der Ilmenauer Peter Pohlmann produziert Bratwürste und verkauft sie mit Erfolg. Zirka 8.000 Deutsche leben in Schanghai, und so mancher sehnte sich schon lange nach der Wurst

VON RASSO KNOLLER

Es begann damit, dass er sich langweilte und „es nix Richtiges zu essen gab“. Als Peter Pohlmann vor dreieinhalb Jahren mit seiner Frau nach Schanghai kam, hatte er erst mal nichts zu tun. Sie hatte eine Stelle am deutschen Konsulat angenommen, er war ihr gefolgt. Doch bald reichte es ihm nicht mehr, durch die Straßen der 17-Millionen-Stadt zu spazieren, und als gelernter Klempnermeister gab es für ihn keinen Job. Außerdem war da das chinesische Essen. Trotz aller Neugier auf das neue Land konnte er sich damit nicht anfreunden. Kein Wunder, denn Pohlmann stammt aus Ilmenau in Thüringen, und wer von da kommt, der mag Würste.

Also begann der langhaarige Indianerfan, der meist in einem T-Shirt seiner geliebten Sioux-Indianer herumläuft, nun selbst mit der Produktion von Würsten. Im Obergeschoss des gemieteten Häuschens richtete er seine „Fabrik“ ein. Grundwissen über die Produktion von Würsten war zwar vorhanden, denn „der Opa hat früher geschlachtet, und ich habe dabei geholfen“, so Pohlmann. Aber etwas Nachhilfe aus der Heimat war schon nötig, denn von dort kam das Grundrezept, das er dann nach eigenem Gefühl variierte und verbesserte. Offenbar mit Erfolg, denn die ursprünglich nur für den Eigenbedarf gedachten Thüringer Würste wurden bald zu einem Geheimtipp in der deutschen Gemeinde.

Zirka 8.000 Deutsche leben in Schanghai, und so manchen ging es wie Pohlmann. Sie sehnten sich nach Wurst. Nach den Filmveranstaltungen des German Centers wirft der Ilmenauer einmal im Monat seinen Grill an und manch ein Gast kommt inzwischen eher wegen der kulinarischen als wegen der kulturellen Genüsse. Für 15 Renminbi, umgerechnet 1,50 Euro, wechselt dann die Wurst den Besitzer. Nach strengen Regeln: Obwohl nur ein knapper Meter zwischen der Kasse, die von einem chinesischen Angestellten geführt wird, und seinem Bratwurststand liegt, geht ohne „Wurstmarken“ nichts. Bezahlen, die Marke nehmen und einen Meter weiter auf ein eigens dafür vorgesehenes Metallspießchen stecken – das ist das Ritual, nach dem Peter Pohlmann seine Wurst an den Mann bringt. Mit einem Augenzwinkern erklärt er, dass dies eine Erinnerung an DDR-Zeiten sei.

Essen und Geselligkeit sind in China ein Synonym. „Die Chinesen essen die wie verrückt“, weiß auch Pohlmann, aber er weiß auch, dass seine Wurst für die meisten viel zu teuer ist: „Von 15 Renminbi müssen sich manche ein paar Tage ernähren“, weiß er. Der chinesische Wirtschaftsaufschwung – für den Schanghai wie keine andere Stadt beispielhaft steht – hat die Wohlstandsschere weit auseinander klaffen lassen. Während die eine Hälfte der Gesellschaft am neuen Reichtum teilhat und sich nicht nur Pohlmanns Würste, sondern auch Rolex-Uhren, Armani und Gucci problemlos leisten kann, bleiben für die andere Hälfte derzeit nur die Krumen übrig.

Aber auf chinesische Kunden ist Pohlmann ohnehin nicht angewiesen. „Ich muss ja nichts damit verdienen“, sagt er lächelnd und betont, dass alles nur ein Hobby sei. Sicher kein schlecht bezahltes, darf man vermuten, wenn man die Reihe seiner Auftraggeber hört. Im Shangri-La-Hotel, in dem schon Kanzler Schröder und Udo Lindenberg abgestiegen sind, hat er auch schon gebrutzelt, und der Chefkoch war von seinen Würsten so beeindruckt, dass er Pohlmann und seinen Grill gleich für ein Privatfest orderte. „Zwölf Würste hat er gegessen, und dann habe ich zu zählen aufgehört“, erzählt der Thüringer.

Lange werden die Deutschen in Schanghai Pohlmanns Grillwürste aber nicht mehr genießen können. Nach vier Jahren in China wird seine Frau nach Brasilien versetzt. Ob China dann wieder ein weißer Fleck auf der Thüringer-Bratwurst-Weltkarte wird, hängt in erster Linie von seinem chinesischen Geschäftspartner ab. Der soll Pohlmanns Firma weiterführen – vorausgesetzt, er lernt Deutsch, denn nur dann wird der Chef ihm das Rezept für seine Würste verraten.

Für einen Chinaaufenthalt ist ein Visum erforderlich. Man erhält es bei der Chinesischen Botschaft in 10179 Berlin, Märkisches Ufer 54, Tel. (0 30) 27 58 80. Informationen und Antragsformulare gibt es im Internet unter www.china-botschaft.de Chinesisches Fremdenverkehrsamt: Ilkenhansstr. 6, 60433 Frankfurt, Tel. (0 69) 52 01 35, Fax (0 69) 52 84 90