Depesche am Schwarzen Brett

Das Bundesarbeitsgericht muss klären, ob ein elektronischer Brief im gewerkschaftlichen Intranet Verrat von Betriebsgeheimnissen ist

Wenn jemand einen Brief an Kollegen schreibt, in der er die Politik der Unternehmensleitung anprangert, und ein anderer diesen Brief unerlaubt öffentlich macht, ist wohl von einem Bruch des Briefgeheimnisses auszugehen. Doch was passiert, wenn jemand seine Gedanken ins Intranet stellt? Mit dieser Frage wird sich kommende Woche das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Kassel beschäftigten müssen.

Hintergrund ist ein betriebsinterner Konflikt 2001 beim Flensburger Aggregate-Hersteller Danfoss: Die Geschäftsführung will ein neues Schichtmodell durchsetzen, die IG Metall-Vertrauensleute opponieren. Und so wird auch im Passwort-geschützten IG Metall-Intranet heftig debattiert, woran sich auch Vertrauensmann Peter Jacobsen beteiligt. Immerhin wird den Metallern vorgeworfen, durch ihre Haltung Arbeitsplätze zu gefährden.

Als ein Intranet-Beitrag von Jacobsen plötzlich am Schwarzen Brett hängt, nehmen die Danfoss-Bosse dies zum Anlass, ihm wegen Verrats von Betriebsgeheimnissen zu kündigen. Zu Unrecht, urteilte das Arbeitsgericht Flensburg: es habe sich um eine interne IG Metall-Mail gehandelt. Zuletzt war jedoch eine „Druckkündigung“ Gegenstand des Verfahrens, initiiert durch eine Unterschriftensammlung, in der Jacobsens Kritiker ihm betriebsschädigendes Verhalten vorwarfen.

Überraschend hob das Kieler Landesarbeitsgericht (LAG) deswegen die Entscheidungen des Flensburger Arbeitsgerichts auf. Und nicht nur das: Das LAG ließ keine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zu. „Ein politisches Fehlurteil“, schimpfte die IG Metall Küste und stellte Jacobsen den Hamburger Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann zur Seite. „Wir haben beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingelegt und gleichzeitig beim BAG eine Nicht-Zulassungebeschwerde eingereicht“, beschreibt Bertelsmann das außergewöhnliche juristische Prozedere.

Inzwischen hat das BAG nun die Revision zugelassen und damit das Kieler Urteil teilweise gekippt. Tenor der Entscheidung: Es habe sich um ein besonders Passwort-geschütztes Medium gehandelt. Zudem könne sich Jacobsen vielleicht auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit berufen. Daher komme dem Verfahren eine besondere Bedeutung zu.

„Die Verfassungsbeschwerde haben wir zurückgenommen“, berichtet Bertelsmann, obwohl die Revision, die nur eine erneute Verhandlung vor dem LAG bedeutet, keine endgültige positive Entscheidung sei. Für Jacobsen aber immerhin ein „Teilerfolg“. Kai von Appen