Homo oeconomicus bekommt Galgenfrist

Uneingeschränkte Vernunft beherrscht noch das Menschenbild in der Wirtschaft – noch!

Der Homo oeconomicus ist wohl die meist kritisierte Annahme der Neoklassiker. Doch auch wenn ihre Schule aus der Mode kommt, der Homo oeconomicus tut es nicht. Nach diesem Menschenbild verhält sich der Mensch im Wirtschaftsleben uneingeschränkt rational. Ökonomisch sinnvolles, also gewinnorientiertes Verhalten ist wichtigstes Leitmotiv. Manche Theoretiker behaupten außerdem, der moderne Wirtschaftsbürger hätte rationale Erwartungen: Er könne die künftige Entwicklung von Preisen ganz genau vorhersehen und würde sich dementsprechend verhalten.

Jahrzehntelang wurde an diesem Modell von Wirtschaftstheoretikern kritisiert, es sei zu eindimensional. Ein relativ junger mikroökonomischen Forschungszweig gibt den Gegnern des Homo oeconomicus nun mehr Anlass zu Hoffnung. Die Experimental- und Verhaltensökonomie untersucht menschliches Verhalten in nachgestellten wirtschaftlichen Situationen. Zum Beispiel forderten Forscher Unternehmensmitarbeiter auf, ihre Preiserwartungen und Verkaufsentscheidungen anzugeben, nachdem sie Informationen über einen fiktiven Markt erhalten hatten. Die Ergebnisse vieler solcher Studien zeigen, dass die Teilnehmer an diesen Experimenten keinesfalls rationale Erwartungen hatten.

Die große offene Frage ist nun: Wie lassen sich diese mikroökonomischen Erkenntnisse über scheinbar irrationales menschliches Verhalten in ohnehin schon komplizierte volkswirtschaftliche Modelle einbauen? MICHAELA KRAUSE