hamburger szene
: Starr-Qualitäten

Erwischen Sie sich auch manchmal dabei, dass Sie – völlig unbestimmt – einen Gegenstand anstarren?

Mir passiert das insbesondere dann, wenn ich müde bin. Zum Beispiel dann, wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre. Dann sitze ich im Bus und starre teilnahmslos auf den Sitz gegenüber und lasse den Tag Revue passieren. Wenn dort niemand sitzt, kommt es schon vor, dass mich die Schriftzüge des Sitzstoffes in einen hypnotisierenden Zustand versetzen. H O C H B A H N, H O C H B A H N...

Für Außenstehende muss diese apathische Verhaltensweise einen seltsamen, gar etwas geisteskranken Eindruck hinterlassen. Manch einer fühlt sich auch belästigt, wenn ich ihn in meiner teilnahmslosen eigenen Welt als Gegenstand nach Feierabend auserkore. Dabei meine ich das wirklich nicht persönlich, liebe Mitreisenden. Vielmehr schaue ich durch Sie hindurch, nehme Sie gar nicht wahr!

Vor kurzem musste ich nach der Arbeit noch einmal kurz zu Karstadt an der Osterstraße rein. Gedanken kreisend passierte ich den Eingang, registrierte auf den ersten Blick weder die lange Schlange vor der Kasse noch den Ansturm auf die reduzierte Bettwäsche. Ich stellte mich auf eine Stufe und ließ mich von der Rolltreppe nach oben befördern. Mein Blick blieb an einer Frau im Erdgeschoss hängen. Gedanklich war ich aber bei der Arbeit – bis mir die Frau vom Bettwäsche-Grabbeltisch genervt die Zunge entgegenstreckte. Willkommen Realität! CHRISTINE LÜBBERS