Der Dino von Lampedusa

Nie hätte Bernardino De Rubeis es zu nationaler Bekanntheit gebracht, wenn Lampedusa nicht Italiens Hauptanlaufstation für Bootsflüchtlinge wäre. „Dino“, wie ihn alle nennen, wäre geblieben, was er eigentlich ist: ein typischer süditalienischer Dorfbürgermeister. In diesen Tagen führt er die Protestaktionen der Lampedusaner an, ist er auf jeder Kundgebung präsent, und immer spannt sich die Bürgermeisterschärpe in den Farben der Trikolore über seinem Bauch, während er Brandreden hält.

Doch eigentlich sind Revolten seine Sache nicht, schon gar nicht Revolten, die ihn plötzlich an der Seite illegaler Immigranten sehen. Priester wollte der 40-Jährige ursprünglich werden, doch dann erschien ihm die Politik attraktiver. Seine ersten Schritte tat er noch in den Reihen der Democrazia Cristiana, schließlich beherrschten die Christdemokraten bis 1993 so gut wie keine andere Partei das Geschäft der Klientelpolitik in Italiens Süden.

Zuflucht fand De Rubeis dann in der sizilianischen Partei Movimento per l’Autonomia; die ist in Rom mit Berlusconi verbündet und stellt in Palermo den Präsidenten der Region Sizilien. Nicht laute Worte, sondern überzeugende Taten sind ihr Rezept – und das von De Rubeis: Auf der 6.000-Einwohner-Insel leistet er sich als Bürgermeister einen „Kabinettsstaff“ von 17 Personen, und dass man den Begriff Vetternwirtschaft durchaus wörtlich nehmen darf, zeigte Dino, als er seinen Cousin einstellte.

Außer mit Gefälligkeiten gewann De Rubeis die Wahlen mit rüder Rhetorik gegen die Boatpeople – ausgerechnet auf südlichsten Insel gewinnt schließlich die radikal fremdenfeindliche Lega Nord ordentlich Stimmen und ist im Stadtrat mit De Rubeis verbündet. Noch im letzten September befand der katholische Bürgermeister, er wolle „keine Rassist sein“, aber „das Fleisch der Schwarzen stinkt selbst dann, wenn sie sich waschen, und da kann man sich denken, wie es im Lager in Lampedusa ist.“ Und dann beglückwünschte er noch schnell die Regierung Berlusconi, die ein paar Dutzend Ägypter umgehend von Lampedusa in ihr Heimatland abgeschoben hatte: „Ein klares Signal“, freute er sich.

Jetzt aber ist es vorbei mit der Freundschaft zwischen Lampedusas erstem Bürger und der Rechtsregierung in Rom, jetzt zeigt sich De Rubeis lieber mit Politikern der Linksopposition und demonstriert gemeinsam mit den Immigranten gegen die Verwandlung seines Eilands in eine „Gefängnisinsel“. Allzu weit geht die neue Sympathie aber nicht: Am Samstagabend machte sich De Rubeis höchstpersönlich auf, um die nach dem Massenausbruch noch im Dorf gebliebenen Ausländer mit seinem Jeep wieder zurück ins Camp zu schaffen. MICHAEL BRAUN