Fernsehen auf hohem Niveau! „television“ spielen in der fabrik
: Übersetzung, für die es keine Sprache gibt

So will es die Legende: Der 1949 geborene Thomas Miller zieht mit seinem Kumpel Richard Meyers 1968 nach New York und nennt sich in Anlehnung an den französischen Poeten Tom Verlaine. In der Künstlerszene der Lower East Side verbringt er seine Zeit mit Beatniks wie Burroughs und Patti Smith, mit der er 1974 einen Gedichtband schreibt. Mit Richard, der sich in Richard Hell verwandelt, gründet er die Band The Neon Babys, die in Television umgetauft wird. Televisions erster Gig im CBGB‘s in New York findet im März 1974 statt. Mit dem ehemaligen Blondie-Bassisten Fred Smith, der später das Gründungsmitglied Richard Hell ablöst, und dem Schlagzeuger Billy Ficca wird Television schnell zur Hausband, die jeden Sonntag auftritt und einen zentralen Bestandteil des „New Yorker Rock Revival“ ausmacht. Punk und New Wave heißt das Ganze erst zwei Jahre später. Zur Szene gehören auch Blondie, Suicide, Ramones, Talking Heads und Patti Smith, die Tom Verlaine als Gitarristen für ihre Debüt-Single Hey Joe und das Album Horses verpflichtet.

Vom Cover ihres majestätischen Debütalbums Marquee Moon (1977) starrten Television den Betrachter an wie psychotisch-aggressive Wesen von einem elektrisch-blau schimmernden Planeten – gerade so, als käme man per Fernsehen direkt ins kollektive Unterbewusstsein Nordamerikas.

Das fast zehnminütige Titelstück Marquee Moon ist einer der größten Tracks Rockmusik, die je produziert wurden. Mit hypnotischen Texten („The world was so thin and between my bones and skin there stood another person who was a little surprised to be face to face with a world so alive“) und dem dualistischen, in sich verzahnten Gitarrenspiel von Verlaine und Richard Lloyd gelang es der Band, Bereiche der Wahrnehmung zu übersetzen, für die es keine aktuelle Sprache gab. Dunkle Räume taten sich da auf hinter dem Torn Curtain: „I‘m uncertain when beauty meets abuse“. Das war der Geist, aus dem Punk entstand. 1978 veröffentlichte die Band ihr zweites Album Adventure mit weicheren Sounds und wärmerer Atmosphäre. Die komplizierte Psychodynamik zwischen Verlaine und seinem Gegenspieler Lloyd sorgte aber immer wieder für Probleme. Monate später löste sich die Band auf.

Nach dem Split konzentrierte sich Verlaine auf seine Solokarriere und veröffentlichte 1979 sein erstes Album. In Amerika kaum beachtet, zog er nach London, wo man ihn als „Guitar Pyrotechnician“ bewunderte. Doch das Solo-Werk Verlaines hatte nie die Schärfe, die Television auszeichnete. Obwohl es dem Sänger und Gitarristen an Soundvielfalt und Ideen nicht mangelt, scheinen Songwriting und Melodieführung nicht seine Stärke zu sein. Das Instrumental-Album Warm and cool (1992) geriet aber zum Meisterwerk.

1991 reformierten sich Television für die Dauer von zwei Jahren, veröffentlichten ein neues Album und tourten. Doch der Erfolg blieb abermals aus. 1993 löste sich die Band wieder auf. Doch Verlaine und Smith können den Mythos nicht ruhen lassen. Bereits 2001 spielten sie eine Show in Chicago und fünf in England. Gelegentliche Festival-Auftritte folgten. Dass Bands wie The Strokes, The White Stripes und Franz Ferdinand ihre Wurzeln bei Televison verorten, verleiht dem Auftritt weitere Prägnanz. Carsten Klook

Freitag, 21 Uhr, Fabrik