Dumping beim Emissionshandel

Zwei Wochen nachdem die EU den Emissionshandel beschlossen hat, will Umweltkommissarin Wallström ihn aufweichen. Er soll industriefreundlicher werden. Derweil will Russland sich die Unterschrift unter das Kioto-Protokoll teuer bezahlen lassen

von MARIUS ZIPPE

Genau zwei Wochen ist die EU-Richtlinie zum Emissionshandel alt. Doch schon gibt es Versuche, die Bestimmungen aufzuweichen. Offenbar auf Drängen der Industrie will die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström den Spielraum von Unternehmen beim Handel mit Emmissionsrechten ausweiten.

Erst Anfang Juli stimmte das EU-Parlament der Richtlinie zu. Danach sollen die größten Luftverpester in der EU ab 2005 Zertifikate für den Ausstoß von Kohlendioxid erhalten und damit handeln dürfen. Wer seine Obergrenze überschreitet, muss zahlen; wer die Grenze unterschreitet, kann Teile seines Kontingents verkaufen. Die EU startet den Emissionshandel damit drei Jahre früher als im Kioto-Protokoll für den weltweiten Emissionshandel festgelegt.

Nach einem Entwurf der EU-Umweltkommissarin Wallström sollen Unternehmen nun zusätzliche Zertifikate erhalten, wenn sie in Entwicklungs- oder Schwellenländern Projekte für den Klimaschutz unterstützen. Allerdings gibt es dann doch eine Einschränkung. Der Austausch von Zertifikaten für solche Klimaschutzprojekte darf höchstens 6 Prozent des Gesamthandels ausmachen.

Nach Ansicht von Umweltschützern untergraben die Vorschläge der EU-Umweltkommissarin den Klimaschutz. Christoph Bals von Germanwatch sagt eine Verbilligung der Zertifikate voraus – und damit auch der Umweltsünden. Bislang rechnet die Umweltschutzorganisation mit Preisen von 5 bis 15 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Durch weitere Zertifikate könnte dieser Preis gedrückt werden. Außerdem kosten Umweltprojekte in Entwicklungsländern weniger als zum Beispiel in Europa. Mit der Verbilligung werde letztlich auch der Druck von den Unternehmen genommen, klimafreundlichere Techniken zu entwickeln.

Während die EU am Emissionshandel feilt, verzögert Russland seit Monaten die Ratifizierung des Kioto-Protokolls, sodass es nicht in Kraft treten kann. Erst Ende Juni hatte Präsident Wladimir Putin vor Studenten in Kaliningrad die Ratifizierung zugesichert. Doch nun wird sein stellvertretender Wirtschaftsminister im Wall Street Journal mit den Worten zitiert, dass das Abkommen für Russland kaum wirtschaftliche Anreize biete.

Offenbar versucht Russland, seine Schlüsselrolle für das Kioto-Protokoll auszuspielen. Das Abkommen kann erst dann in Kraft treten, wenn die Länder es ratifiziert haben, die für 55 Prozent des weltweiten Ausstoßes von CO2 verantwortlich sind – gemessen an 1990.

Auch Russland wird an seinem Schadstoffausstoß von 1990 gemessen, als die Wirtschaft noch lief. Doch mit dem Zusammenbruch des Kommunismus reduzierten sich die Emissionen drastisch, und das Land gilt nun als potenzieller Verkäufer von Emissionrechten. Nach dem Bericht des Wall Street Journal versucht die russische Regierung gerade, von Japan, Kanada und der EU Abnahmegarantien für die Zertifikate zu erhandeln.