Obamas erfahrener Konfliktmanager

George Mitchell soll für US-Präsident Barack Obama im Nahostkonflikt vermitteln. In Nordirland hatte der heute 75-Jährige frühere demokratische Senator Erfolg beim Friedenschließen. FOTO: AP

Mit Konflikten kennt er sich aus. George Mitchell, der von Barack Obama am Donnerstagabend zum neuen US-Sondergesandten für den Nahen Osten ernannt wurde, war Architekt des nordirischen Friedensprozesses, der nach vielen Rückschlägen schließlich zur gemeinsamen Regierung der ehemaligen Erzfeinde führte.

Im Jahr 2000 untersuchte Mitchell im Auftrag von US-Präsident Bill Clinton die Ursachen der Gewalt im Nahen Osten. Daran kann er nun anknüpfen, denn schon damals verlangte er von Palästinensern und Israelis den Gewaltverzicht. Darüber sollte eine von beiden Seiten akzeptierte internationale Friedenstruppe wachen. Die israelische Regierung forderte er auf, die Blockade der palästinensischen Gebiete aufzuheben und den Bau von Siedlungen zu stoppen. Von den Palästinensern erwartete er, dass sie mit Terroranschlägen in Israel aufhören.

In Nordirland erwarb sich Mitchell den Respekt aller Seiten, weil er sich im Gegensatz zu den britischen Regierungen nicht von den Drohungen der protestantisch-unionistischen Politiker, die für den Verbleib der Provinz bei Großbritannien kämpfen, einschüchtern ließ. Auf der anderen Seite konfrontierte Mitchell auch die Irisch-Republikanische Armee (IRA) und bewegte sie zur Ausmusterung ihrer Waffen. Damals legte er seine „Mitchell-Prinzipien“ vor, sechs Grundlagen für Gewaltlosigkeit und Demokratie.

Seine Mutter, Mintaha Sahd, war 1920 aus dem Libanon nach Maine ausgewandert und heiratete den irischstämmigen George Mitchell senior, der als vierjähriger Waise von libanesischen Auswanderern adoptiert worden war und als Portier im Colby College arbeitete. Mitchell kam 1933 zur Welt und wuchs in den Slums von Bangor im Staat Maine auf. Nach dem College finanzierte er sein Jura-Abendstudium als Gutachter einer Versicherung. 1954 bis 1956 war er in Berlin stationiert und arbeitete für die US-Spionageabwehr. Mitchells politischer Mentor, Senator Ed Muskie, holte ihn 1962 in sein Team. 1980 kam die Teheraner Geiselkrise. Außenminister Cyrus Vance trat zurück, Muskie ersetzte ihn, und Mitchell fand sich auf Muskies Senatorenposten wieder. 1988, nach einer mit 81 Prozent der Stimmen gewonnenen Wiederwahl, wurde er Mehrheitsführer im Senat.

Nun hat Mitchell wieder mit dem früheren britischen Premierminister Tony Blair zu tun, der im Auftrag der UN, der USA, der EU und Russlands als Nahostvermittler arbeitet. Mitchells Ernennung untergräbt Blairs Rolle, doch der sagte, er freue sich auf „die Erneuerung der engen und produktiven Beziehung“ von früher. Einfach zu kopieren sind die nordirischen Erfahrungen allerdings nicht. RALF SOTSCHECK