Kein Grün im schwarzen Kabinett

Die Thüringer CDU behält ihre absolute Mehrheit. Damit haben sich die Spekulationen über neue Bündnisse jenseits der Lagergrenzen vorerst erledigt

AUS ERFURT MICHAEL BARTSCH

Als Punkt 18 Uhr die ARD-Prognose 46 Prozent für die Thüringer CDU anzeigte, herrschte in ihrer Landtagsfraktion noch betretenes Schweigen. Die Verluste der SPD in Richtung sächsischer Verhältnisse lösten dann schon Beifall aus. Aber erst als die Bildschirme das Scheitern der Grünen an der 5-Prozent-Hürde in Aussicht stellten, kannte der Jubel kaum mehr Grenzen.

Also weiter mit Dieter Althaus. Mit 47 von 88 Sitzen könnte es auch künftig zur Alleinregierung reichen. Sichtlich nervös und angespannt hatte der Ministerpräsident in den letzten Tagen und auch beim Wahlkampfabschluss im heimatlichen Heiligenstadt gewirkt. Die Umfragen deuteten auf einen Verlust der von Ziehvater Bernhard Vogel übernommenen absoluten Mehrheit von 51 Prozent, trotz der ungebrochenen persönlichen Popularität von Althaus.

Mit dem möglichen Einzug der Grünen oder gar der FDP waren zumindest theoretisch die unglaublichsten Koalitionsmöglichkeiten denkbar – über Schwarz-Grün wurde ebenso diskutiert wie über ein rot-rot-grünes Bündnis. Mit ätzenden Plakaten hatte die CDU-Wahlkampfzentrale noch einmal nachgelegt und wohlweislich auf Bundestrends gesetzt: „Rot-Grünes Chaos vermeiden.“ Offenbar mit Erfolg. 60 Prozent der Wähler gaben an, mit ihrem Votum der Bundespolitik einen Denkzettel erteilt zu haben.

Zwei Generalthemen waren von befragten Thüringern immer wieder genannt worden: soziale Probleme auf der einen Seite, wirtschaftliche Schwierigkeiten auf der anderen. Die Kompetenzen, die den Parteien dabei zugesprochen werden, könnten sich exakt im Wahlergebnis spiegeln. Die CDU bleibt vorrangig eine Wirtschaftspartei, aber die PDS könnte sich mehr und mehr als die Partei der sozialen Alternative etablieren.

Zum dritten Mal in Folge konnten die Sozialisten ihren Stimmenanteil in Thüringen steigern, während die Sozialdemokraten zum dritten Mal herbe Verluste hinnehmen musste. „Die PDS hat noch nie so kräftig gelebt wie jetzt“, ließ sich Spitzenkandidat Bodo Ramelow von der Euphorie seiner Genossen mitreißen. Neben Stimmengewinnen bei den Bündnisgrünen und den Liberalen kann er sich als der eigentliche Wahlsieger fühlen.

Dennoch: Als sich gestern Abend das Scheitern der Bündnisgrünen abzeichnete, musste auch Ramelow realistischerweise einräumen, dass er sein auf Wahlplakaten verkündetes Ziel wohl nicht erreichen wird. „Ich will Ministerpräsident werden“, war dort zu lesen. „Ich war der Oppositionsführer, und ich bleibe der Oppositionsführer“, strotzte er dennoch vor Selbstbewusstsein. Er wolle sich bei dieser Opposition verstärkt auf Bürgerinitiativen stützen und mit ihnen zusammenarbeiten. Noch im Triumph versäumte Ramelow nicht, in Richtung Westen auszuteilen, für den der Osten immer noch der „Ferne Osten“ sei.

Der wahrscheinliche alte und neue Ministerpräsident Dieter Althaus machte sich im Landtag gestern zunächst rar. „Das ist ein klarer Sieg für die CDU in Thüringen“, zeigte er sich trotz der Verluste der Union in Siegerpose. Das gute PDS-Ergebnis schrieb er dem Vertrauensverlust in die SPD zu. Noch erleichterter als er strahlte sein Vorgänger Bernhard Vogel, der seine Taktik der rechtzeitigen Machtübergabe vor einem Jahr bestätigt sieht. „Geben sie ihm die nächsten fünf Jahre Zeit, dann erreicht er auch 51 Prozent!“ Dieses Ergebnis hatte Vogel seinerseits bei der zweiten Wiederwahl im Jahr 1999 eingefahren.

Wahlverlierer Christoph Matschie blieb vor seinen deprimierten Anhängern nichts weiter, als sich für den „großartigen Kampf“ zu bedanken. Er musste einräumen, dass es sich wohl um eine Protestwahl gehandelt habe. Wenn gestern schon nichts zu gewinnen war, so vielleicht in zwei Wochen. Er rief dazu auf, bei der anstehenden Thüringer Kommunalwahl ein „Gegengewicht“ zum gestrigen Debakel zu setzen.

Ein Lehrsatz der Wahlforschung wurde bei der Thüringenwahl zumindest infrage gestellt. Als im Laufe des Sonntags die um 3 bis 4 Prozent hinter den Zahlen von 1999 zurückbleibenden Wahlbeteiligungen gemeldet wurden, konnte man vermuten, dass dieses geringe Interesse eher den kleinen Parteien zugute kommen könnte und damit die Chancen der Bündnisgrünen verbessern würde. Es kam jedoch anders. Die schwache Beteiligung von weniger als 60 Prozent bestätigt allerdings den Eindruck großer Müdigkeit unter der Thüringer Bevölkerung schon im Wahlkampf.