Sandige Herrlichkeit

Das Deutschland bei einer EM vorne mit dabei sein kann, sorgte bei den Fans für gute Stimmung – auch wenn es „nur“ Beachvolleyball ist

aus Timmendorfer Strand Oliver Camp

Die Beach-Volleyballer Markus Dieckmann (28) und Jonas Reckermann (25) könnten richtige Sporthelden sein. Mit Riesenposter in Jugendzeitschriften und kreischenden, autogrammhungrigen Teenies vor dem Hotel. Als hochgewachsene und durchtrainierte Wesen erfüllten sie alle Voraussetzungen für nackte, weiße Teenietapeten. Und mit ihrem Sieg im Finale der EM in Timmendorfer Strand gegen das Schweizer Duo Markus Egger und Sascha Heyer mit 2:0-Sätzen (21:16; 27:25) haben sie nun auch den passenden Pokal für den vorolympischen Rummel. Da auf ihren sonstigen internationalen Arbeitsausflügen meist Teams aus Brasilien die Pole-Position blockieren, gelang ihnen beim Euro-exklusiven Championat an der Neustädter Bucht der internationale Durchbruch.

Aufmerksamkeitserreger aus norddeutscher Sicht waren David Klemperer (24) und Niklas Rademacher (22): Erst über die Qualifikation erreichten die beiden Kieler die Endrunde des Turniers und baggerten sich unter die Top 4 in Europa. Ein rundum verdienter Erfolg für das männliche Nachwuchsteam des Verbands, dass nachhaltig Anschluss an die Weltspitze gefunden hat. Der ohnehin stets fröhlich guckende David, konnte sein Grinsen nach dem Erfolg nicht abstellen. Altersweise Entspannung zeigte der Hamburger Axel Hager im Turnierverlauf: Entstand das ausgelassene Winken Richtung Tribünen in Erwartung des greifbaren Karrierendes als letzter Genuss öffentlicher Aufmerksamkeit? War das Lächeln nach guten Aktionen ein ständiges Feixen, als ob den beiden „Alten“ dies keiner mehr zugetraut hätte? Wie groß ihr Abstand trotz Platz fünf zur Weltspitze ist, zeigte das klare 0:2 (15:21, 13:21) gegen Dieckmann/Reckermann.

Die Frauen-Konkurrenz lieferte einenbemerkenswerten Kontrast zu dem Erfolg der Herren – dabei erreichten die Titelverteidigerinnen Stephie Pohl/Okka Rau aus Hamburg ebenso wie Andrea Ahmann/Jana Vollmer das Viertelfinale, doch wirklich überzeugt hatten beide Teams bis dahin nicht. Die übrigen Vertreterinnen nutzten bereits das Achtelfinale zum Abgang.

Die Erfolglosigkeit der DVV-Frauen trübte die Timmendorfer Herrlichkeit wenig: „Die Leute feierten mit uns trotz des Regens - unglaublich“, lobte die strahlende Europameisterin Simone Kuhn aus der Schweiz das freundliche Publikum. Das besondere Flair zeigte sich während der Vorwoche vor allem rund um die Nebenplätze: Während auf dem Center-Court ein ständig Sensationen herbeibrüllender Moderator mit jingleunterlegtem Soundbrei aus den Boxen quillt, störte nebenan kein attraktionsheischendes Beiwerk die sportlichen Begegnungen. Hier zeigt Strand-Volleyball seine gesamten Vorzüge gegenüber jenen Sportarten, deren Fans Eintritt zahlen und in massiven Betonstadien stundenlang auf vorgefertigten Plastikschalen hocken müssen.

Susanne Lahme buchlesend im Strandkorb, Okka und Steffi in den Dünen im Trainergespräch sowie munteres und ungezwungenes Plaudern zwischen Strandvolk und AthletInnen. Zeltlagerathmosphäre und oberflächenpolierter Leistungssport müssen kein Widerspruch sein. Mit einer gut organisierten Veranstaltung hat sich Timmendorfer Strand als Top-Adresse im europäischen Beach-Volleyball etabliert. Rund 300.000 Euro in Sachleistungen musste der Ort, der seit mehr als 10 Jahren die Deutschen Meisterschaften ausrichtet, aufbringen, um die Veranstaltung zu akquirieren. Kein Kleckerbetrag angesichts der schleppenden Vermarktung der Sportart und selbstherrlichen Verbandsinszenierungen. Allein mit der Berliner Luft wird die Beachvolleyball-WM im kommenden Jahr in der Hauptstadt nicht punkten können.