Eilige Abschiebung ins Ungewisse

Innensenator Körting will heute einen kongolesischen Oppositionellen nach Kinshasa abschieben lassen – obwohl das Bundesaußenministerium schriftlich darum bittet, mit der Entscheidung noch zu warten. Grund: Die Lage sei „undurchsichtig“

von HEIKE KLEFFNER

Geht es nach Innensenator Ehrhart Körting (SPD), wird heute ein Mitglied der kongolesischen Opposition nach Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, abgeschoben. Obwohl sich nach Informationen von Rechtsanwalt Bernward Ostrup, der den 38-jährigen Kongolesen vertritt, das Auswärtige Amt in den Fall eingeschaltet hat. In einem Brief an Berlins Innensenator bittet das Außenministerium darum, „zu prüfen, ob eine Abschiebungsentscheidung nicht abgewartet werden“ könne, berichtet Anwalt Ostrup. Die Lage in Kinshasa sei „undurchsichtig“ und der Lagebericht des Amtes zur Situation in dem bürgerkriegsgeschüttelten Staat werde derzeit noch aktualisiert. Christian Matzdorf, Pressesprecher des Innensenators, betont dagegen, „im Gegensatz zum problematischen Norden des Landes ist es in der Hauptstadt Kinshasa sicher.“ Deshalb stünde einer Abschiebung von Raphael B. nichts im Weg. „Alle Bundesländer schieben in die Demokratische Republik Kongo ab – nur nicht in den Norden“, sagt Matzdorf.

Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, hält das Verhalten der Innenverwaltung für „skandalös“. Es sei unverständlich, „dass Ehrhart Körting den aktualisierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes nicht abwarte, so Ratzmann.

Noch Ende Juni hatte Körting dem Flüchtlingsrat Berlin in einem Brief versichert, die Innenverwaltung werde das Auswärtige Amt um eine kurzfristige Übersendung eines aktuellen Lageberichts bitten. Weiter erklärte der Innensenator in dem Schreiben, das der taz vorliegt, er habe die Ausländerbehörde schon im Juni 2001 angewiesen, „Rückführungen in die Demokratische Republik Kongo nur mit meiner ausdrücklichen Zustimmung anzuordnen und durchzuführen“. Es folgt die Beteuerung: Eine Abschiebung werde „gegebenenfalls einzelfallbezogen und mit der gebotenen Sorgfalt geprüft“.

Damit habe der Innensenator den Flüchtlingsrat in dem Glauben gewiegt, dass vor Eintreffen neuer Informationen keine Abschiebungen stattfinden würden, sagt der Grüne Ratzmann. Nach taz-Informationen fertigte das Auswärtige Amt den letzten Lagebericht im Sommer 2002 an.

Raphael B. war vor elf Jahren nach Deutschland geflohen, weil er als Mitglied der oppositionellen Bewegung „Vereinigung für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt“ (UDPS) vom damaligen kongolesischen Diktator Mobutu Sese Seko politisch verfolgt wurde. Dennoch lehnte das Verwaltungsgericht Berlin im Januar B.s Asylantrag letztinstanzlich ab. Ende Mai wurde B. beim Besuch der Ausländerbehörde verhaftet und sitzt seitdem in der Abschiebehaftanstalt Grünau. Die Ausländerbehörde hatte zur Begründung behauptet, B. sei untergetaucht.

Rechtsanwalt Ostrup betont, Raphael B. werde „nach elf Jahren in Deutschland in eine extrem unsichere Situation abgeschoben“. Nach Recherchen der Internationalen Menschenrechtsliga wurden zu Jahresbeginn zwei Demonstrationen der oppositionellen UDPS in Kinshasa von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Mehrere UDPS-Anhänger sind seitdem „verschwunden“. Auch das US-Außenministerium kommt in seinem Menschenrechtsbericht vom März 2003 zu einer düsteren Einschätzung. „Die Sicherheitskräfte [der derzeitigen Regierung von Präsident Joseph Kabila in der Demokratischen Republik Kongo, d. Red.] sind verantwortlich für extralegale Tötungen, Folter, Schläge, Vergewaltigungen, Vertreibungen und andere Menschenrechtsverstöße. […] Die Sicherheitskräfte nehmen Zivilisten weiterhin willkürlich fest und inhaftieren sie.“