Game not over

Die britische Künstlergruppe Blast Theory erforscht per Computerspiel den Zusammenhang von Virtualität und Realität. Beim Mit- und Nachspielen im Oldenburger Edith-Ruß-Haus überwiegt allerdings die Begeisterung fürs Technische

Der Typ mit den dunklen Wuschelhaaren spricht in sein Walkie-Talkie. Er wirkt angespannt. Anweisungen über Funk: Plötzlich wechselt er die Straßenseite. Ständig schaut er auf einen Minibildschirm in der Hand, abrupt ändert er die Richtung. Oldenburg – Kulisse eines Agentenfilms? So mochte man denken.

Tatsächlich aber waren die KünstlerInnen von „Blast Theory“ unterwegs in ihrem Online-Spiel „Can you see me now?“, und jeder, der wollte und einen Internet-Zugang hat, konnte mitspielen. Die Kommando-Zentrale befand sich im „Edith-Ruß-Haus für Medienkunst“. Ein Spiel mit Ernstcharakter.

Die britische Künstlergruppe „Blast Theory“ untersucht in Kooperation mit der Universität Nottinhgam die Verbindung zwischen digitaler und physischer Welt und stellt die Frage, wie beide zusammenhängen. „Can you see me now?“ ist ein Verfolgungsspiel das auf GPS (Global Positioning System) basiert. Dieses satellitengestützte militärische Überwachungssystem soll die exakte Position von Objekten erfassen. Im Spiel nun laufen zwei bis drei Künstler durch Oldenburg, auf dem Bildschirm der Mitspieler zuhause ist derLäufer als rote Markierung in einer schematisierten Stadt erkennbar. Daheim am Rechner kann man alles hören, was die Läufer über ihre Walkie-Talkies miteinander sprechen. Über Taschencomputer können die mit GPS ausgestatteten Läufer wiederum die Position des Spielers sehen, sobald sie sich ihr auf fünf Meter genähert haben. Wer auf diese Art „gesehen“ wird, scheidet aus.

Das Spiel – live hat es am vorvergangenen Wochenende stattgefunden – ist als Installation noch im Edith-Ruß-Haus zu sehen. An Monitoren können die Besucher sich wiederum in ein digitales Alter-Ego verwandeln. Auf große Leinwände wird das Spiel projiziert. Aber hier sind wir schon einen Schritt weiter: Denn die digitale Speicherung und Reproduktion des Gewesenen hat sich abgelöst vom Körper, hier ist das Spiel nicht mehr als ein Spiel am PC. Was durch „Can you see me now?“ deutlich wird, ist, dass solch scheinbar harmlosen Spielchen eine Realität zugrunde liegt, die mit physischen Körpern umgeht. Jedes Computerspiel also ein Training für den ‚Ernstfall Normalität‘.

Und eben weil dieses Training schon so alltäglich und normal ist, hat es „Can you see me now?“ schwer, als mehr denn ein aufregendes Spiel wahrgenommen zu werden. Technikskepsis, die sich im technischen Medium formuliert, läuft Gefahr, dem Faszinosum ihre Sujets zu erliegen. Die Realität aber weiß längst: Das Spiel ist aus!

Marijke Gerwin

Blast Theory: Can you see me now. Noch bis 3. August im Edith-Ruß-Haus, Oldenburg.