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: Am Tag, als der Regen fiel

Im Jüdischen Museum hatten die Verantwortlichen für die Besucherbetreuung eine tolle Idee. Um den Arbeitstag entspannt ausklingen zu lassen, erdachten sie eine Veranstaltungsreihe mit dem verlockend schön klingendem Namen „Blue June“, die fortan – oder zumindest für einen Monat lang – stets mittwochs im Museumsgarten stattfinden soll. Bei freiem Eintritt, mit schmackhaften Cocktails und wechselnden DJs jeweils von 18 bis 20 Uhr.

Zwar scheint das Zeitfenster auf den ersten Blick recht knapp, doch wie der wohlwollende Besucher beim ersten „Blue June“-Termin feststellen musste, war es schon um 18 Uhr 15 längst wieder Zeit zu gehen. Nur wohin? Und warum?

Weil das Jüdische Museum für den wohlwollenden Besucher nicht gerade um die Ecke liegt und auch keine U-Bahn-Station in seiner direkten Nachbarschaft hat, musste sich der wohlwollende Besucher bereits ein Taxi leisten, um das Jüdische Museum noch rechtzeitig zu erreichen, bevor sich das knappe Zeitfenster wieder schließt. Da sich der wohlwollende Besucher aber innerhalb von knapp drei Minuten in einen enttäuschten Besucher verwandelt hatte, weil der Museumsgarten wegen Regen geschlossen hatte, stand er bereits um 18 Uhr 16 wieder auf der verregneten Straße, wo er zusehends auch zu einem nassen Besucher wurde.

Sich ein weiteres Taxi zu leisten, kam für den enttäuschten Besucher nicht in Frage, weswegen er den Beschluss fasste, trotz Regens die Stadt nun zu Fuß zu durchqueren, egal wie nass er dabei wird. Also überquerte er die Lindenstraße Richtung Westen, bog dann nach Norden in die Markgrafenstraße ein, um an der Kreuzung zur Kochstraße wieder nach Westen zu gehen. Er bog von dort nach Norden in die Charlottenstraße, um an der nächsten Kreuzung gleich nach Westen die Zimmerstraße entlangzugehen. Und als er endlich die Friedrichstraße erreicht hatte, ging er nur noch geradeaus.

Der Regen fiel während der gesamten Strecke stetig aber schwach, so dass der Fußgänger, der vor einer Weile noch ein wohlwollender Besucher war, nicht so furchtbar nass wurde, wie man vielleicht meint. Er überquerte die Leipziger-, die Kronen- und auch die Taubenstraße und achtete an den nächsten Kreuzungen nicht mehr auf die Namen. Erst die Rosmarinstraße fiel dem noch nicht allzu nassen Fußgänger wieder auf, weil ein dort ansässiges Sushi-Restaurant einen Aufsteller auf dem Gehweg platziert hatte, das ein umfangreiches Menü versprach – und das sogar im Trockenen.

Das Edo, so der Name des Restaurants, ist wie so viele andere Sushi-Anbieter der Stadt inzwischen dazu übergegangen, die Kundschaft mit Sonderangeboten und Happy-Hour-Tarifen an die Tische zu locken. Manche bieten dabei für den normalen Preis das Doppelte an Speisen, andere nehmen für die einfache Menge den halben Preis. Das Edo bot nun so viel man wollte für 15 Euro.

Dabei bekommt der Kunde aber keine Karte, sondern ihm wird das angeboten, was dem Sushi-Meister gefällt. Und so geht eine leicht überforderte Bedienung mit einem Sushi-Tablett von Tisch zu Tisch, und der Kunde wählt und zeigt auf die Teilchen, die sie ihm dann reicht. Die Auswahl fällt dabei nicht besonders schwer, weil es keine nennenswerte Auswahl gibt. Vor allem Lachs hat das Edo im Angebot, aber auch Salatgurke und Octopus sind reichlich zu haben.

Dass ein Sushi-Anbieter mit Kampfpreisen das Angebot überschaubar hält, mag man verstehen. Doch dummerweise sparte der Sushi-Meister im Edo ausgerechnet am Salz. Der Reis schmeckte folglich verblüffend fad, so dass der zwar inzwischen irgendwie satte aber aufs Neue enttäuschte Fußgänger schließlich ging und sich beeilte, weil es grad keinen Regen gab.

HARALD PETERS