Sparen mit Feuern und Neuanheuern

Volkswagen will in Mexiko 2.000 Leute entlassen – mit der Aussicht, sie im nächsten Jahr billiger einzustellen

MEXIKO-CITY taz ■ Für Reinhard Jung, den Präsidenten von Volkswagen Mexiko, war der Donnerstag vergangener Woche ein besonderer Tag. Er stellte eine Nostalgie-Version des VW-Käfers vor, von der bis Ende Juli noch 3.000 Exemplare im südmexikanischen Puebla vom Band laufen sollen. Dann wird die Ära Käfer nach gut 30 Jahren endgültig beendet. „Bis heute wurden hier 1,7 Millionen dieser Fahrzeuge hergestellt“, berichtete Jung auf der Feier zu Ehren jenes Wagens, den in Mexiko alle vochito nennen.

Doch während der Käfer für kleine Wunder gesorgt hat, sieht es um die Verkaufszahlen der Marken Jetta und New Beetle derzeit schlecht aus. Vor allem in den USA ist der Absatz zurückgegangen. Statt der für dieses Jahr anvisierten 346.000 Fahrzeuge sollen in Puebla nur 285.000 Wagen hergestellt werden. Um die reduzierte Produktion zu kompensieren, will die Geschäftsleitung rund 2.000 Arbeiter auf die Straße setzen.

Seit diese Entscheidung vor knapp zwei Wochen bekannt wurde, bemüht sich die Unabhängige Betriebsgewerkschaft der VW-Industrie (SitiaVW) um Alternativen. Kurzarbeit haben die Gewerkschafter bereits angeboten und eine Verringerung der Arbeitszeit um einen Tag bei einem noch auszuhandelnden Lohnverzicht. Die VW-Betriebsleitung will darüber jedoch gar nicht erst verhandeln. Das Unternehmen habe klargemacht, dass es durch den schlechten Absatz in den USA hohe Unkosten habe, berichtet ein Gewerkschafter. Die Belegschaft sei zwar bereit, die Konsequenzen für die Verluste mitzutragen, so Gewerkschaftsführer José Luis Rodríguez Salazar zur taz. „Wenn VW jedoch an den Entlassungen festhält, wird die Gewerkschaft zum Streik aufrufen.“

Francisco Bada, Vizechef des Unternehmens, sagte, er hoffe, dass es vor der neuen Lohnrunde im August zu einer Einigung komme. SitiaVW hatte bereits Anfang Juli eine Gehaltserhöhung von 13,6 Prozent ins Spiel gebracht. Rodríguez schließt nicht aus, dass die Entlassungsankündigungen auch in diesem Zusammenhang zu sehen sind.

Vor allem aber befürchtet die Gewerkschaft ein anderes Kalkül der Geschäftsführung: Die VW-Manager gehen davon aus, dass die Produktion in Puebla ab Anfang 2005 wieder einen neuen Aufschwung erleben wird. Dann soll dort der Jetta A5 für den europäischen Markt produziert werden. Sollten die Arbeiter jetzt entlassen werden, könnte VW zunächst Kosten sparen und die alten Kollegen später wieder einstellen – zu für sie wesentlich ungünstigeren Konditionen. Denn im vergangenen Jahr hatte sich die Gewerkschaft auf besondere Verträge für Neueinstellungen eingelassen. Auf dieser Grundlage könne VW im Januar 2005 qualifizierte, erfahrene Arbeiter zu „günstigen Bedingungen erwerben“, so Rodríguez.

Sollte das Wolfsburger Unternehmen tatsächlich an den geplanten Kündigungen festhalten, stünden im Bundesstaat Puebla sowie in der Nachbarregion Tlaxcala die Existenz von etwa 8.000 Familien auf dem Spiel. Nicht zuletzt deshalb beteiligten sich am Samstag zahlreiche „Betriebsfremde“ an einer Demonstration gegen die Entlassungspläne. WOLF-DIETER VOGEL