vorlauf
: Zwischentöne aus Zwintschöna

„Die Bluttat von Zwintschöna“ (21.45 Uhr, ARD)

„Bestie“ hatte die Bild-Zeitung getitelt, auf der ersten Seite. Den Titel vergibt sie gern, wenn Mord, Blut, möglichst auch Kinder im Spiel gewesen sind. Die „Bluttat von Zwintschöna“ erfüllt diese Voraussetzungen: Seine Frau hatte Fred Wagner im Jahr 2000 erschlagen und seine vier Kinder mit Kissen erstickt. Eine dreiteilige ARD-Serie will den Bild-„Bestien“ das Unmenschliche wieder nehmen und eine Vergangenheit zurückgeben. Die Zwangsräumung der Wohnung der sechsköpfigen Familie stand bevor. Schon zum dritten Mal hatte Fred Wagner eine Wohnung gemietet, die er mit seinem Klempnergehalt nicht zahlen konnte. „Er hat das nicht verstanden: In der DDR 400 Mark Miete, jetzt auf einmal 1.600“, sagt sein Rechtsanwalt Wolfgang Männel, „er hat gesehen, das Geld reicht nicht. Die Familie zu ernähren, ist wichtiger als die Miete, also hat er die Miete nicht mehr gezahlt.“

Dass, wer so arm ist, auch töten wird, ist aber ein wenig einfach. Reporter Kamil Taylan führt deswegen über den psychologischen Gutachter Professor Andreas Marneras auch noch eine Freud’sche Ebene ein: narzisstische Persönlichkeitsstruktur, Externalisierung des eigenen Fehlverhaltens. „Ihm war der Gedanke, als Versager dazustehen, unerträglich.“ Wer der Bild gern ihre Schlagzeilen glaubt, wird sich immer noch nicht überzeugen lassen von der Dokumentation. Wer der Bild ihre Schlagzeilen nicht glaubt, der wird solche Hintergründe vermutet und gewusst haben, dass ein Totschläger nicht als Totschläger geboren wird. Schade ist daher, dass die Vorgeschichte sich auf die Zeitspanne kurz vor der Tat beschränkt. Und schade ist vor allem das Ende, mit dem der für die Serie verantwortliche Hessische Rundfunk anscheinend noch einmal eine rechtspolitische Duftnote setzen wollte: Dass der Täter findet, seine Strafe sei mit 13 Jahren und sechs Monaten zu milde, ist erstens nicht ungewöhnlich; zweitens heißt das nicht, dass sie tatsächlich zu milde ist. Genau das suggerieren die letzten Worte aus dem Mund des Gutachters: „Er sagt, er hätte mehr Ruhe gefunden, wenn das Urteil viel härter gewesen wäre.“ MAREKE ADEN