Die Strandschlacht: Kippt Schröder Berlusconi?

BERLIN taz ■ Das Urteil steht noch aus: Stützt oder stürzt die Urlaubsabsage von Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen italienischen Amtskollegen Silvio Berlusconi? Klar ist am Tag nach Schröders Verzicht auf Familienferien südlich von Rimini nur, dass die Angelegenheit deutlich politischere Züge annimmt.

Auf deutscher Seite sehen sich plötzlich Politiker aller Couleur genötigt, Bekenntnisse zu ihren Reiseplänen in der Sommersaison abzugeben, während Tourismusbranche und Meinungsforscher Expertisen anfertigen, die unweigerlich die Stimmung anheizen. So sollen zwei Drittel aller Deutschen hinter ihrem Kanzler stehen, und in den Medien finden sich erste Diskussionen zu einem Italienboykott.

Wie stets reagiert Berlusconi auf Druck mit Trotz. „Tut mir Leid – für ihn“, quittierte er Schröders Absage. Doch ganz spurlos geht der Wirbel selbst an der hartgesottenen Berlusconi-Mannschaft nicht vorbei. Zwei Minister wurden bereits mit Entschuldigungs- und Beschwichtigungsformeln vor die Mikros geschickt, der Tourismusverband tobt, und zumindest die Berlusconi-unabhängige Presse ist sich in ihrer Verurteilung einig: Die Deutschenbeschimpfung des Staatssekretärs Stefano Stefani stelle „die internationale Glaubwürdigkeit der Regierung in Frage“, befand La Repubblica.

Vor allem der Zeitpunkt des Aufruhrs ist für Berlusconi prekär: Nach den KZ-Wächter-Ausfällen gegen einen deutschen EU-Parlamentarier steht der Premier europaweit unter verschärfter Beobachtung. Gleichzeitig steckt seine Regierung wegen eines heftigen Koalitionskrachs um ganz andere Themen ohnehin in einer Krise. Die Aussicht auf eine glanzvolle EU-Ratspräsidentschaft, die Italien am 1. Juli übernahm, kann der Ministerpräsident in jedem Fall abschreiben. PATRIK SCHWARZ

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