Kapitän auf letzter Fahrt

Sparen, sparen, sparen – und ewig auf den Kanzler hoffen: In seiner Regierungserklärung kündigt Bremens wiedergewählter Bürgermeister Henning Scherf eine unpopuläre Sanierungspolitik an

„Wir können schlicht nicht mehr alles bezahlen, was wir für wichtig halten“

aus BremenMARKUS JOX

Es gehe ums Überleben. Um das Überleben der Freien Hansestadt Bremen als selbstständiges Bundesland. Das war die Kernaussage in der wohl letzten Regierungserklärung von Bürgermeister Henning Scherf – der Sozialdemokrat will in zwei oder drei Jahren von der politischen Bühne abtreten. Auch wenn das kleinste Bundesland „letzte Reste von Kirchturmpolitik“ überwinden und die Zusammenarbeit mit allen norddeutschen Ländern „intensivieren“ müsse, so dürfe die Selbstständigkeit nie zur Disposition gestellt werden.

Um sie zu erhalten, gebe es, so Scherf, ein übergeordnetes Ziel der von ihm angeführten großen Koalition, das auch ein Ziel seiner „ganz persönlichen Lebensplanung“ sei: Bremen müsse bis 2005 in der Lage sein, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Zwar „kein bequemes Ruhekissen“, aber „absoluter Eckpfeiler“ und „belastbare Säule“ für die Konsolidierung des Haushalts, so metapherte Scherf, sei eine schriftliche Zusage von Gerhard Schröder aus dem Jahr 2000 – der „Kanzlerbrief“. Damals hatte Schröder die Bremer Bundesrats-Stimmen für seine Steuerreform „gekauft“, in dem er dem Land versprach, dass der Bund Mindereinnahmen ersetzen werde, die Bremen durch die Reform entstünden. „Wir werden mit dem Bund so schnell wie möglich ganz konkrete Gespräche führen, in welcher Form diese Zusage ab 2005 eingelöst werden soll“, so Scherf gestern.

„Sparen und investieren“ heißt die Zauberformel, unter die SPD und CDU auch in der dritten Legislatur hintereinander ihre Politik stellen möchten – nicht als Selbstzweck, sondern als „Kurzform für eine umfassende Modernisierungsstrategie“. Scherf räumte ein, dass mit dem Sparkurs „schmerzliche und unpopuläre Entscheidungen“ verbunden sein würden. Gleichzeitig seien Investitionen genauer auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen: In den vergangenen Jahren war Bremen mit mehreren Großprojekten – darunter der Raumfahrt-Erlebnispark „Space Park“ – gestrandet.

Erste „soziale Grausamkeiten“ hat Rot-Schwarz bereits beschlossen: Freibäder werden dichtgemacht, der Aidshilfe und dem Frauengesundheitszentrum wird der Geldhahn abgedreht, neu eingestellte Angestellte im öffentlichen Dienst bekommen kein Weihnachtsgeld mehr. „So schwer es fällt, wir können schlicht nicht mehr alles bezahlen, was wir selbst für hilfreich und wichtig halten“, sagte Scherf.

Grünen-Oppositionsführerin Karoline Linnert warf Scherf vor, dass seine Regierung den Kurswechsel zu einer modernen Sanierungsstrategie unter Berücksichtigung weicher Standortfaktoren verpasst habe. So komme die Umweltpolitik als „wichtiger Baustein zukunftsträchtiger Wirtschaftsentwicklung“ viel zu kurz. Die Politik von SPD und CDU setze „auf den Gedanken, dass alle Bremerinnen und Bremer in einem Boot sitzen und dem großen Kapitän Henning Scherf vertrauen“ – Kritik und Meinungsstreit würden dagegen „als unfruchtbar mies gemacht“.