Spott und Empörung

Jürgen Peters sieht sich zu Unrecht kritisiert: „Über den Streikverlauf entschied der Gesamtvorstand“

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

Das Nobelhotel Arabella Sheraton im Frankfurter Büroviertel Niederrad ist nur einen Steinwurf weit entfernt vom Hauptsitz der IG Metall. Für Vize Jürgen Peters, 58, schienen es gestern Mittag Meilen zu sein. Dennoch traf er mit dem Fehdehandschuh zielgenau ins Zentrum der Zentrale: direkt vor die Füße des im Herbst scheidenden Noch-Vorstandsvorsitzenden Klaus Zwickel.

Im Foyer gab es Schnittchen für das große Medienaufgebot und die Gesundheitssäfte trugen sinnigerweise das Logo „Carpe Diem“, „Genieße den Tag mit Muße“. Peters hielt sich an die modernere Verkürzung dieser römischen Maxime: „Nutze den Tag!“ Er kam schon Minuten vor der Zeit zur eilig anberaumten Pressekonferenz. Er betrat den dämmrigen Saal I, der die Sonne aussperrte, schwungvoll mit dynamischem Schritt, scherzte und ließ die dunklen Augen hinter der Metallbrille reihum blitzen. Sein vierseitiges, eng bedrucktes Statement wurde zeitgleich verteilt – noch handwarm aus dem Kopierer. Peters verlas dann zwar fast wörtlich, was er aufgelistet hatte, seiner vortragenden Rhetorik jedoch wohnte eine ganze Skala der Gefühle inne: Empörung, Betroffenheit, Bitternis, Ironie, verhaltener Spott.

Peters setzte damit einen Akzent für die heute in Frankfurt beginnende Sitzung des 41-köpfigen IG-Metall-Vorstandes, der darüber befinden soll, wer nun die Schuld trage am sang- und klanglosen Ende des Streiks für die 35-Stunden-Woche in den neuen Bundesländern. Diese Niederlage war Peters und dem Bezirksleiter Ost, Hasso Düvel, seit der letzten Woche, zuletzt auch von Klaus Zwickel, immer wieder angelastet worden.

Zwickels öffentliche Behauptung, Peters habe den Vorstand eigenmächtig über Strategie, Verlauf und Auswirkungen des Ausstandes getäuscht, sei, so der Vize, „böswillig und vollkommen aus der Luft gegriffen“, daher „ehrverletzend, ja, geeignet, meine politische und persönliche Integrität auf das schwerste zu beschädigen“. Zwickel bleibe jeden Beweis schuldig. Und der Vorwurf impliziere auch, er, Peters, habe die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben hintergangen. Das wolle er so nicht auf sich sitzen lassen: „Der Vorwurf schmerzt um so mehr, als er nachweislich falsch ist.“ Der Verlauf des vierwöchigen Streikes habe sich, so Peters weiter, streng an den Beschlüssen des gesamten Vorstandes orientiert. Jedes Gremium sei zu jeder Zeit rechtzeitig über alle Schritte informiert worden. So genannte Fernwirkungen auch auf Betriebe im Westen seien von Anfang an einkalkuliert gewesen. Betroffene westdeutsche Kollegen hatten Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Jürgen Peters interpretierte die zahlreichen Angriffe der letzten Tage als Fortsetzung des seit 1998 währenden Flügelkampfes um die Nachfolge von Klaus Zwickel, bei der er im Frühjahr dieses Jahres gegen den baden-württembergischen Bezirksleiter Berthold Huber obsiegt hatte: „Jeder hier im Raum weiß, dass ich nicht der Wunschkandidat von Klaus Zwickel bin.“ Aber: „Ich habe nie im Traum daran geglaubt, dass es einmal so weit geht wie in den vergangenen Tagen.“ Der Richtungsstreit schade der Gewerkschaft und er nehme eine „Spaltung zwischen Ost und West billigend“ in Kauf.

Er verlange, so Peters im getragenen Tonfall des zu Unrecht Gescholtenen, keine Entschuldigung, sondern „fair play“ und von allen Beteiligten, „insbesondere vom Ersten Vorsitzenden der IG Metall, die Vorwürfe zurückzunehmen“. Dies solle spätestens heute nach der Vorstandssitzung geschehen, bei der eine genaue Analyse des Streikverlaufs geplant ist und die widerstreitenden Parteien jeweils eigene Vorstandsvorlagen mitbringen, über die abgestimmt werden soll.

Peters erklärte noch einmal deutlich, dass er nicht an Rückzug denke, sondern dem Gewerkschaftstag im Oktober „Rede und Antwort stehen“ werde: „Und dabei bleibe ich auch!“