Steinbach muss auf Urteil warten

Klage der Vertriebenen-Chefin gegen Warschauer taz-Korrespondentin vertagt. Strittig ist der Zusammenhang von Holocaust-Mahnmal und „Zentrum gegen Vertreibungen“

HAMBURG taz ■ Unter großem Interesse der polnischen Presse ist gestern vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts das Verfahren gegen die Journalistin und taz-Korrespondentin in Warschau, Gabriele Lesser, fortgesetzt worden. Streitpunkt ist ein kritischer Kommentar über das „Zentrum gegen Vertreibungen“, den Lesser in den Kieler Nachrichten veröffentlicht hatte. Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, fühlt sich in dem Kommentar falsch wiedergegeben und begehrt Unterlassung. Lesser hatte in dem Beitrag keinen Hehl daraus gemacht, dass sie das in Berlin geplante Zentrum als politisch schädliches und moralisch einseitiges Projekt ansieht.

Der Vorsitzende der Pressekammer, Andreas Buske, setzte sich in der gestrigen mündlichen Verhandlung vor allem mit der Frage auseinander, ob es wirklich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Bundestagsbeschluss zum Bau des Holocaust-Mahnmals und den Plänen gebe, ebenfalls in Berlin das Zentrum gegen Vertreibungen entstehen zu lassen. Zudem geht es um den von Lesser benutzten Begriff „westliche Werte“.

In ihrem Kommentar hat Lesser nach Ansicht Steinbachs den Eindruck erweckt, sie habe gesagt, „heutzutage müsse man keinen Bomber mehr nach Polen schicken, um den Polen klarzumachen, was westliche Werte seien“.

Lessers Anwältin Renate Damm betonte, es handele sich um eine freie Meinungsäußerung. Denn der BdV hatte 1965 Gesten der Versöhnung ignoriert und auf das Wort der polnischen Bischöfe „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ nicht geantwortet. Stattdessen habe der BdV den Beitritt Polens zur EU gern mit der Anerkennung von Schadensersatzansprüchen der Vertriebenen verknüpft.

Inzwischen haben sich in Polen 39 Chefredakteure der wichtigsten Zeitungen in einem offenen Brief mit Lesser solidarisiert. Unterschrieben haben auch Politiker und Intellektuelle, die sich seit Jahren für die deutsch-polnische Aussöhnung einsetzen, darunter die drei ehemaligen Außenminister Krzysztof Skubiszewski, Wladyslaw Bartoszewski und Bronsislaw Geremek. Die Unterzechner mutmaßen, mit der BdV-Klage solle allen potenziellen Kritikern der Mund verboten werden, „die einen Zusammenhang zwischen dem Holocaust-Mahnmal in Berlin und dem ebenfalls in Berlin geplanten Zentrum gegen Vertreibungen sehen wollen“.

Das Landgericht Hamburg wird sein Urteil am 25. Juni verkünden. KAI VON APPEN